Regensburg
Feudal rocken

Sting fremdelt ein wenig mit dem Festspielpublikum in Regensburg

24.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:44 Uhr

Sting singt auch mit 65 Jahren noch kraftvoll. - Foto: Moosburger/Altro

Regensburg (DK) Ohne Job, ohne Wohnung und ohne große Perspektive zieht der Englisch- und Musiklehrer Gordon Sumner 1976 nach London und spielt in Jazzbands. Als er einmal im schwarz-gelben Pulli auftritt, verpassen ihm die Kollegen den Spitznamen Sting - wie der Stachel einer Wespe.

Seit 1992 wohnt der Komponist, Sänger, Bassist, Gitarrist und Schauspieler mit Familie, Angestellten und Tieren in einem elisabethanischen Landhaus 140 Kilometer westlich von London. Der Rocker residiert heute feudal.

"Sehr putzig, mein Schloss ist größer", spottet Sting augenzwinkernd auf Deutsch, als er die Bühne der Thurn-und-Taxis-Festspiele im Innenhof von Schloss Emmeram in Regensburg betritt. Da gehört das Publikum auch schon ihm. So gut gelaunt, fit und lustvoll der 65-Jährige auch auftritt, so ganz wird man das Gefühl nicht los, dass sich hier zwei Welten begegnen, die erst einmal miteinander warm werden müssen.

Erst beim zweiten und dritten Signal erheben sich die Festspielflaneure von den Sofas der weißen Zelt-Lounges im Schlosspark, lassen ein Erinnerungsfoto vom Profi schießen, schauen kurz beim Festspiele-TV-Stand vorbei, wo erklärt wird, welche Gattin heute Peeptoes zum geklöppelten Spitzenkleid trägt. Man trinkt Champagner, man hat Zeit.

Nur Sting hat's eilig. Acht Minuten nach der angesetzten Startzeit um 20.30 Uhr tritt er auf und bedeutet mit schiebender Geste den eintrudelnden Gästen, sie möchten doch bitte sehr ihre Plätze einnehmen. "Schneller, schneller! Ich will singen!", sagt er, es klingt nicht nach Ironie. Tatsächlich fängt er sofort an, während man vor der Bühne noch beschäftigt ist mit Küsschen, Konversation und Suche nach der - zwecks ausverkauftem Haus - eingefügten Zusatzreihe 6a. Beim vierten Song "Englishman In New York" geht Sting an den Bühnenrand und fordert Feedback ein: Er hört nix, die Leute sollen mal jubeln und katschen! Es funktioniert, die ersten stehen auf, tänzeln, singen "Be yourself, no matter what they say", grad als wäre es ein Hippie-Selbstverwirklichungs-Gig.

Musikalisch sind diese anderthalb Stunden mit vielen Hits der Police-Ära famos: Stings hoher Belt-Tenor ist intonatorisch mit 65 makellos, die melodischen Wendungen und rhythmischen Finessen sind einzigartig im Pop. Die Band mit Stings Sohn Joe Sumner als Backgroundsänger, mit Dominic Miller und dessen Sohn Rufus an den meist unverzerrten Gitarren sowie Akkordeonist Percy Cardona kann alles von Folk bis Heavy. Mit "Fragile" endet ein Gig, den Sting durchzieht, ohne je wirklich mit seinem Publikum zu reden. Er reist sofort ab nach Nürnberg, am Sonntag spielt er bei Schrauben-Würth in Künzelsau, wo die Karte 69 statt hier bis zu 238 Euro kostet. Da geht es weniger feudal zu, aber vielleicht gibt es eine Schippe mehr Rockatmosphäre.

Am 19. September spielt Sting in der Münchner Olympiahalle.