Wolnzach
Fast wie damals

Kinder aus dem Landkreis leben und arbeiten 24 Stunden wie zur Hopfenzupferzeit

17.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

−Foto: dbr (dbr)

Wolnzach (WZ) Wie war das eigentlich, als es noch keine Pflückmaschinen gab? Kurz vor dem Beginn der Ernte in der Hallertau haben das bis gestern mehr als 20 Kinder aus dem Landkreis 24 Stunden lang auf dem Bauernhof Lehner in Thongräben erfahren – natürlich mit kleinen Änderungen.

Die Kinder: Der zehnjährige Jonos und sein Kumpel Matthias (9) aus Uttenhofen kennen sich schon aus mit der Hopfenernte. Sie waren schon letztes Mal bei der „Reise in die Hopfenzupferzeit“ dabei, die vom Hopfenmuseum in Wolnzach organisiert wird. „Ich gehe in den Sommerferien öfter mit zur Hopfenernte“, sagt Jonos. „Beim Zupfen kratzt es ein bisschen an den Händen, aber das ist ein super Gefühl, wenn man es abduscht.“

Dass Kinder auf dem Hopfenfeld mitarbeiten, ist gar nicht so weit hergeholt. Früher allerdings war das kein Spaß. „Während dem Krieg gab es einfach niemand, die Männer waren an der Front, die Frauen wurden in den Fabriken gebraucht – für die Hopfenernte blieben da manchmal nur die Kinder“, berichtet Museumsleiter Christoph Pinzl. In der Nachkriegszeit nahmen die Mütter ihre Kleinen nur zu gern zur Ernte mit – wegen der Mahlzeiten. Die Bauern waren davon nicht immer begeistert: „Die Kinder waren natürlich zusätzliche Esser und haben nicht viel gepflückt“, so Pinzl.

 

Die Traktorfahrt: Lautstark singen die Kinder während der Fahrt auf dem Traktor-Anhänger ihre Lieder. Ob auch damals gesungen wurde, ist nicht bekannt, aber dass die Zupfer am Wolnzacher Bahnhof abgeholt wurden, schon. „Auch wenn damals die Pferdekutsche kam“, sagt Prinzl. Und die kam oft: In den Hochzeiten kamen rund 150 000 Hopfenzupfer in die Hallertau.

 

Das Essen: „Eigentlich wurde früher immer auf dem Feld gegessen, zwischen den Reben“, sagt Pinzl. Das sei aber logistisch ziemlich aufwendig, deshalb wird auf dem Hof gegessen. Doch auch da wollen es die Kinder lieber einfach. „Gibt es auch noch Brötchen ohne Körner?“, fragt ein Junge. Das Essen war früher übrigens sehr wichtig, besonders als es der Wirtschaft in den 50er Jahren nach dem Krieg wieder besser ging und die Fabriken viele Arbeiter anzogen. „Da war gutes Essen ein Kriterium“, erklärt Prinzl – und dafür war meist die Bäuerin verantwortlich.

 

Die Musik: Ein großes Fest richteten viele Höfe nach der Ernte aus, und da spielten natürlich auch Musiker. Zu den Kindern kommen die Holledauer Tanzbodenfeger. Wieder singen sie fleißig mit.

 

Das Hopfenzupfen: Sobald die Kinder die Hopfenreihen betreten, bricht der Arbeitseifer aus. „Ich will die Rebe, ich“, rufen sie und legen sofort los. Immer mehr Dolden fallen in die Mäzen, vorher natürlich sorgsam von Blättern und Stielen befreit. „Die kratzen ja gar nicht“, sagt die elfjährige Katharina aus Pfaffenhofen. „Die Dolden sind total weich.“ Sie trägt anders als die meisten Kinder keine Handschuhe.

Und ist damit näher dran an der Realität der Hopfenzupferzeit. „Damals konnte sich niemand Handschuhe leisten, die wurden ja noch handgefertigt“, sagt Pinzl. Ob das die Menschen damals so toll fanden, darf bezweifelt werden. Weil das in der Dolde enthaltene Lupulin oxidiert, wurden die Hände der Zupfer schnell schwarz, erklärt Prinzl. „Dass sie klebten ist da noch freundlich ausgedrückt.“

 

Der Lohn: Pro Mäzen wurden früher die Zupfer bezahlt – ein Alleinstellungsmerkmal der Holledau, wo die meisten Bauern nach Leistung zahlten. In einen Mäzen passen 60 Liter. „Ein guter Arbeiter hat mehr als zehn Mäzen am Tag geschafft.“ Und ein Tag, der dauerte schon mal zwölf Stunden von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

Bei den Kindern ist nach ein paar Stunden Schluss. Doch belohnt werden sie trotzdem: Eine Urkunde und ein kleines Geschenk nimmt jedes Kind mit nach Hause.