Ingolstadt
Fast 20 000 Euro pro Sitzplatz

Verwaltungsvorlage überrascht mit gewaltigen Investitionen in neuen Konferenzraum im Alten Rathaus

20.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr
Der künftige Konferenzraum: Organisationsreferent Christian Siebendritt im Büro von Bürgermeister Sepp Mißlbeck, das sich im zweiten Stock des Alten Rathauses befindet. Der Umbau zu einem Besprechungszentrum soll fast 400 000 Euro verschlingen. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Im Alten Rathaus soll ein neuer Konferenzraum entstehen. Offenbar sollen nicht nur ein paar Stühle und Tische hin und her gerückt würden. In einer Verwaltungsvorlage, die gestern den Finanzausschuss passierte, nimmt sich das Vorhaben vielmehr als Großprojekt mit Kosten von 390 000 Euro aus.

Warum für ein Ansinnen, wie es in jeder Firma mal kurzerhand umgesetzt wird, Investitionen wie für eine Doppelhaushälfte nötig sein sollen, will erklärt sein. Einige Kommunalpolitiker – namentlich Dorothea Soffner (UDI) und Christian Lange (BGI) – hatten die Beratungsvorlage jedenfalls mit großer Skepsis gelesen und sich gefragt, warum die Verwaltung hier so in die Vollen gehen will.

Ins Auge gefasst worden ist für den Umbau das recht große bisherige Büro von Bürgermeister Sepp Mißlbeck, der nach der bald anstehenden Pensionierung von Rechtsreferent Helmut Chase in dessen Büro umziehen soll. Mißlbecks jetziges Domizil war bereits früher einmal Konferenzraum und soll es nun wieder werden – ausgestattet mit moderner Klima- und Kommunikationstechnik und Platz für maximal 18 Sitzungsteilnehmer. Etwas zugespitzt formuliert, erfordert jeder Sitzplatz nach Rechnung der Verwaltung eine Investition von fast 20 000 Euro.

„Das kann man draußen nicht vermitteln.“

Christian Lange (BGI)

 

Als der DK jetzt nach den Gründen für den hohen Finanzbedarf für ein überschaubares Vorhaben fragte, beeilte sich Stadtsprecher Michael Klarner, zunächst mal die nötigen sensiblen Eingriffe in den denkmalgeschützten Baubestand als grundsätzlich kostspielige Angelegenheit zu erklären. Später reichte er eine detailliertere Darstellung der Kostengründe schriftlich nach. Demnach entfallen von den erwarteten Gesamtkosten alleine 103 000 Euro auf die Planung.

Die Einbindung externer Fachleute, so hieß es auch gestern mehrfach im Ausschuss, sei „einerseits durch die besonderen Anforderungen der historischen Bausubstanz des Alten Rathauses, andererseits durch die für die Planung von Lüftungs- und Medientechnik nötigen erforderlichen speziellen fachlichen Qualifikationen“ nötig gewesen. Die Verwaltung wollte die Detailplanung schließlich am liebsten einem Münchner Büro überlassen.

Nachdem Kritik aufgekommen ist, scheint man sich im Rathaus allerdings erinnert zu haben, dass man ja auch in der eigenen Bauverwaltung über gewisse Fachkräfte verfügt. Die Pressestelle schreibt: „Derzeit werden verwaltungsintern Möglichkeiten der Kostenreduzierung geprüft, auch wird sich das Hochbauamt stärker als in der Kostenschätzung unterstellt in die Bauabwicklung einbringen können.“

An reine Technikkosten für den Konferenzraum hat man im Rathaus bislang 168 000 Euro veranschlagt. Darin enthalten sind Beschaffung und Einbau einer Belüftungsanlage, die Ertüchtigung der Stromversorgung und die Ausstattung mit Medientechnik für Besprechungen und Konferenzen. Die Medientechnik solle „einem zeitgemäßen technischen Standard in normalem Niveau“ entsprechen und trage „den Anforderungen des medialen Zeitalters an die Vorbereitung und Durchführung von Besprechungen Rechnung“, so die Stadtpressestelle.

Im Finanzausschuss wurde das Vorhaben gestern nach langer Debatte mit den Stimmen von CSU und FW ohne Abstriche verabschiedet. Zwischendurch hatte es einige Zeit so ausgeschaut, als ob Kritikpunkte aus der Opposition zumindest zu einer moderaten Verkleinerung des Kostenrahmens führen könnten, doch insbesondere Bürgermeister Albert Wittmann machte als Sitzungsleiter schließlich Druck, die Sache zügig und ohne Abstriche in den Stadtrat zu bringen. Gut möglich aber, dass dort von UDI, BGI, Grünen und SPD nochmals gegen den finanziellen Umfang des Projektes geschossen wird.

Die SPD hat gestern erfolglos vorgeschlagen, durch Abspecken bei der Detailausführung und der Ausstattung (allein jeder Konferenzstuhl soll 1000 Euro kosten) noch bis zu 50 000 Euro einzusparen – was Baureferent Alexander Ring, der bei dem Vorhaben neben Organisationsreferent Christian Siebendritt die Federführung hat, für nicht machbar hielt: „Das schaffe ich nicht.“

UDI-Sprecherin Soffner nannte die veranschlagten Kosten „völlig überzogen“. Ihr Antrag, lieber günstiger einen Konferenzraum im Neuen Rathaus zu modernisieren, wurde mit knapper Koalitionsmehrheit abgelehnt. Auch BGI-Fraktionschef Lange befand, dass das Projekt „so auf keinen Fall“ genehmigungsfähig sei: „Das kann man draußen nicht vermitteln.“ Petra Kleine (Grüne) wunderte sich auch darüber, dass die Bauverwaltung hier schon wieder Hilfe von außen benötigt: „Können wir im Haus keine Klimaanlage planen?“

Albert Wittmann blieb allerdings dabei, dass er nach erster eigener Skepsis inzwischen „keine Alternative“ zu der bestehenden Planung sehe. Ein zeitgemäßer Konferenzraum sei zwingend nötig, werde dann aber auch „sicher wieder 40 Jahre halten“.