Geisenfeld
Faschingsgeschichten: "Protest-Sturm" der kleinen Narren

Die Kindergarde Geisenfeld gibt den Rathausschlüssel nicht kampflos frei

22.02.2022 | Stand 22.09.2023, 23:52 Uhr
Da hat der Bürgermeister keine Chance: Die Geisenfelder Kindergarde stürmt traditionell am Faschingsdienstag das Rathaus. Erst wenn der Rathauschef - hier noch der frühere Bürgermeister Christian Staudter - eine passende Auslöse bietet, wird das Kriegsbeil begraben. −Foto: Kohlhuber, PK-Archiv

Geisenfeld - Ein bedeutender Termin für die Geisenfelder Kindergarde steht eigentlich genau in einer Woche im Kalender - heuer allerdings müssen der Bürgermeister und seine Mitarbeiter auf diesen Höhepunkt verzichten. Denn in Geisenfeld treten die jungen Narren nicht kampflos ab, wenn am Faschingsdienstag das Ende der Saison naht: Sie blasen kurz vor Mittag zum Sturm auf das Rathaus und "verwüsten" das Zimmer des Bürgermeisters. Nur wenn der Hausherr ausreichend Friedensangebote in Form von Geschenken macht, wird das Kriegsbeil begraben.

"Die Tradition gibt es schon so lange es die TV-Kindergarde gibt, also seit 22 Jahren", weiß Anita Brandl, ihres Zeichens eine der Trainerinnen der Rasselbande. Seither macht sich am Dienstagvormittag ein mit Konfetti und Luftschlangen bewaffneter Trupp von 40 bis 45 Kindern in drei Gruppen - Bambini, Gardisten und Teenies - vom Fuchssaal in der Regensburger Straße auf in Richtung Zentrum. Unterwegs bringen sie sich für ihren Kampfeinsatz in Stimmung. "Sobald uns im Rathaus die Tür geöffnet wird, geht die Post ab", erzählt Jennifer Niedermeier (18), die schon im zwölften Jahr mit zur Sturmspitze gehört. "Erst müssen wir die Vorzimmerdame schachmatt setzen", sagt Leonie Aichele (16), auch sie eine der "alten Häsinnen" und als Hofmarschall kampferprobt. Im Zentrum der Macht wird alles, was nicht vorsorglich verräumt wurde, vom Schreibtisch gefegt, die Stühle mit Gejohle gekapert.

Erst wenn kein Stein mehr auf dem anderen steht, kehrt Ruhe ein. "Manchmal hat sich der Bürgermeister vorher schon verdrückt", verrät Ex-Prinzessin Julia Brandl (16), die das Garde-Gen von Mama Anita geerbt hat. Die gehört als geborene Niedermeier wie Jennifer zu einem "narrischen" Clan, dessen Mitglieder wohl schon so ziemlich jedes Amt im Fasching innehatten.

Der aktuelle Bürgermeister Paul Weber blieb wegen der Pandemie bisher von diesem Racheakt verschont und muss sich auch heuer nicht den Kopf über Friedensangebote zerbrechen. Sein Vorgänger Christian Staudter hat für die Zukunft dennoch ein paar Tipps parat. Er empfiehlt dem Rathauschef sich in jedem Fall vor dem Konfetti-Regen zu hüten, denn "den kriegt man so schnell nicht aus den Akten und Ordnern heraus", meint er lachend. Er selber findet den Überfall "eine richtig nette G'schicht" und gesteht, dass er sich jedes Jahr gerne zum Walzertanzen mit der jeweiligen Prinzessin einlässt. "Strafen hab' ich natürlich keine verhängt", meint er schmunzelnd. Vielmehr gab es als Friedensangebot eine Einladung zum Würstl-Essen.

Nicht immer geht bei dem Einsatz alles glatt. "Einmal ist ein Teil von uns im Aufzug stecken geblieben", erinnert sich Emelie Aichele (14), die von ihrer Schwester mit dem Gardefieber angesteckt wurde, an die "riesige Aufregung". Zum Glück sei das Problem in kurzer Zeit wieder behoben gewesen. Ein anderes Mal hatten sie den Schlüssel vergessen und mussten am Abend nochmals "antanzen".

Nachdem der symbolische Frust über das Ende der Saison verpufft ist, gehen alle in den Sitzungssaal, wo die gesamte Belegschaft der Verwaltung auf sie wartet. "Wir zeigen da noch einmal unser gesamtes Programm und jeder Zuschauer kriegt einen Orden", sagt Julia Brandl. Und der Bürgermeister bekommt seinen Schlüssel zurück - vorausgesetzt die Friedensgaben sind angemessen. Unverzichtbar gehört (nach dem Würstl-Büfett) die Rundfahrt durch die Stadt und ihre Ortsteile dazu - und zwar mit der Feuerwehr, die die Mädels und Buben im Alter zwischen vier und 18 Jahren vor der Rathaustür mit ihren Einsatzwagen erwartet. "Das ist der Wahnsinn, da freuen wir uns jedes Jahr drauf", zeigt sich nicht nur Jennifer begeistert von der Ehrenrunde mit "Tatütata und Blaulicht".

Nachdem das Kriegsbeil begraben ist, führen die jungen Narren ihre Tanzeinlagen im Seniorenheim auf. Danach gibt es für die Eltern eine gesondert einstudierte Showdarbietung im Fuchssaal, wo während der Saison das Equipment der dem TV angegliederten Abteilung gelagert ist. "Das ist unser Dankeschön dafür, dass unsre Mamas und Papas so viel geleistet haben", erklärt Leonie, deren Vater als amtierender Präsident Dienst tut. Garde sei eben "kein Hobby nur für die Kinder sondern Arbeit für die ganze Familie".

Die Saison endet am Abend mit dem traditionellen Fackelzug nebst Schlusstanz auf der Schranne. Und da gibt es dann reichlich Tränen. "Wenn ich am Ende des Faschings mal nicht mehr bleck, dann ist es Zeit für mich aufzuhören", sagt Anita Brandl lachend.

PK

Maggie Zurek