Ingolstadt
Farben sammeln und Wörter finden

Neues Format des Jungen Theaters Ingolstadt: "Die kleine Raupe" und "Frederick" als charmantes Erzähltheater

04.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:18 Uhr
  −Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Ein Ei.

Ganz oben balanciert es auf dem Podest. Beleuchtet vom fahlen Mondschein. Dann hebt das Klavier an zu einer zarten Melodie. "Und als an einem schönen Sonntagmorgen die Sonne aufging, hell und warm, da schlüpfte aus dem Ei . . . " - "ein Clown", ertönt ein Kinderstimmchen. "Nein, eine Raupe", hält ein anderes dagegen, "die Raupe Nimmersatt". Genau! Was da so zauberhaft gelenkig aus der Papierhülle kriecht, erst den linken, dann den rechten Arm reckt, die schwarz-weiß geringelten Beine streckt und den Körper lang macht, ist die Raupe Nimmersatt. Oder besser gesagt Olivia Wendt, die in einem grünen Schlafsack steckt, die roten Bommelfühler kreisen und neugierig den Blick schweifen lässt, um sich kurz darauf auf den Weg zu machen, "um Futter zu suchen". Jeder kennt Eric Carles Bilderbuch von der gefräßigen Raupe, die sich eine ganze Woche lang durch allerlei Köstlichkeiten mampft, bis sie sich schließlich verpuppt und sich in einen schönen Schmetterling verwandelt.

Im Jungen Theater Ingolstadt konnte man diese herrliche Metamorphose miterleben. "Zwei-in-Einem-Theaternachmittag für Familien" heißt das neue Format, das am Sonntagnachmittag Premiere feierte. Denn neben der Geschichte der kleinen Raupe gab es auch Leo Lionnis Mausabenteuer "Frederick" zu erleben. Zwei Mal Erzähltheater mit Witz, Livemusik und hinreißenden Bildern. Und eine Pause, in denen Zuckersüßes von Konditorin Zsofía Polgár serviert wurde: Popcakes in Weiß und Schwarz, Sternküchlein und Schokomuffins mit kleinen grauen Mäusen garniert. Ein durch und durch sinnliches Theatervergnügen.

Gedacht ist das Format für Kinder ab 3 Jahren und ihre Eltern, Geschwister, Freunde. Anders als bei anderen Produktionen gibt es keine Kindergartenvorstellungen, sondern nur solche im freien Verkauf. Und wer Lust hat, kann den Theaterbesuch so richtig zelebrieren - mit dem passenden Outfit und gelehrtem Pausengeflüster. Schließlich sind die beiden kurzen Erzähltheaterstücke Klassiker aus dem Kinderzimmerregal. Und ein Großteil des Publikums weiß genau, was die Raupe auf ihrem Weg als nächstes entdecken wird: einen Apfel, zwei Birnen, drei Pflaumen undsoweiter. Allerdings keine Banane. Auch wenn sich das ein kleiner Zwischenrufer sehnlichst wünscht. Johanna Landsberg hat die Geschichte für die Bühne eingerichtet. Und sie hat nicht nur eine findige Lösung für Raupengestalt und Verpuppungsstadium ersonnen ("das ist kein Kokon, das ist ein Schlafsack! "), sondern auch die Bühne mit ihren drei Rampen in Bilderbuchfarbpunkten (Bühnenbild: Manuela Weilguni) köstlich präpariert. Aus immer neuen Öffnungen holt das Kriechtier sein Futter. Jedesmal ist es anders angerichtet - die Pflaumen hängen am Ast, die Orangen an einer Kette, das Samstagsmenü wird auf einer karierten Picknickdecke herausgeklappt - und wird stets unterschiedlich verspeist. Die Birnen werden noch elegant mit Messer und Gabel zerteilt, doch mehr und mehr steigern sich Fresstempo und -menge - bis zur Bauchschmerzerschöpfung. Witzig ist das. Und immer wieder überraschend. Wie auch Olivia Wendt, die zu Jan Roths Klavierbegleitung so herrlich groovt.

Sie ist an diesem Nachmittag in zwei Rollen zu erleben. Nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Regisseurin. Das Konzept für "Frederick" hat sie sich ausgedacht. Gespielt wird auf der gleichen Rampe. Nur hat Bühnenbildnerin Silvia Benedito sie in vollkommenes Weiß getaucht. Große Brocken markieren zunächst die Steinmauer, wo die kleinen Feldmäuse wohnen, später symbolisieren sie die Schneelandschaft, in der die Mäuse kein Futter mehr finden. Benjamin Dami tritt als Erzähler auf, lockt die knuffigen Feldmäuse aus ihren Verstecken, hilft ihnen beim Vorrätesammeln und leiht allen seine Stimme. Wunderbar werden hier die Buchillustrationen auf der Bühne umgesetzt: die Mäuse mit ihren Wackelaugen, Frederick mit seinem verträumten Blick, die stilisierten Pflanzen.

Immer wieder wird das junge Publikum miteinbezogen - bei der Suche nach Frederick, beim Farben sammeln, beim Wörter finden. Musiker Jan Roth hat die einzelnen Szenen in Noten übersetzt - die warmen Sonnenstrahlen, das eifrige Vorrätesammeln, das eisige Schneegestöber, die Erinnerungen an goldene Herbsttage. Ein Nachmittag voller Witz und Poesie. Und eine charmante Theaterverführung.

ZUM STÜCK
Theater:
Junges Theater Ingolstadt
Regie (Die kleine Raupe):
Johanna Landsberg
Regie (Frederick):
Olivia Wendt
Vorstellungen:
23./24. November, 21./22. Dezember, 11. Januar 2020
Kartentelefon:
(0841) 30547200

Anja Witzke