Farbe bekennen

Von Johannes Greiner

16.11.2020 | Stand 28.11.2020, 3:33 Uhr

Es ist eine politische Krise mit Ansage.

Ungarn und dann auch Polen haben versucht, die Europäische Union zu erpressen, weil sie Sanktionen für Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit fürchten. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat sich nicht erpressen lassen und trotzdem eine Abstimmung über das Billionenpaket mit der EU-Haushaltsplanung und den Corona-Hilfen angesetzt. Nun mussten die Regierungen in Budapest und Warschau Farbe bekennen und ihr Veto einlegen.

Gut so. Natürlich steckt die EU jetzt wieder in einer Krise. Das ist einerseits bitter, weil viele Mitgliedsstaaten gerade schwer an der Corona-Pandemie leiden und gleichzeitig die Einigung auf eine asiatische Freihandelszone daran erinnert, wie wichtig ein funktionierender großer Wirtschaftsraum ist. Aber die EU hat andererseits eben den Anspruch, nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Wertegemeinschaft zu sein. Und der Rechtsstaat ist kein Luxusthema, sondern unverzichtbare Säule eines demokratischen Systems. Es lohnt sich also, in dieser Sache zu streiten und auch einen Konflikt zu riskieren.

Einmal mehr wird es nun auf die politische Erfahrung von Kanzlerin Angela Merkel ankommen, beim EU-Gipfel am Donnerstag Kompromisslinien auszuloten. Der Druck auf die Blockierer ist jedenfalls groß: Wer unter den aktuellen Bedingungen das EU-Haushaltspaket ausbremst, darf nicht auf viel Nachsicht der restlichen EU-Mitglieder hoffen - und schadet sich auch noch selbst.