Stolz
Familienideal

13.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:43 Uhr

Stolz und mütterlich zugleich präsentiert die würdige Matrone ihre beiden Kinder; ihre Haube als fester Bestandteil der damaligen Frauentracht weist sie als verheiratet aus. Auf ihrem Schoß sitzt ein unbekleidetes Kleinkind, das mit geradezu andächtiger Aufmerksamkeit dem kleinen langhaarigen Mädchen zuzuhören scheint, welches aus einem Buch vorliest.

Also eine ganz wirklichkeitsnahe Darstellung einer Mutter mit ihren beiden Kindern. Die in ihrer Naivität so entzückende und lebensvolle Holzfigurengruppe entstand um 1500 und befindet sich in der Kirche „Mariä Krönung“ zu Wintershof. Sie vertritt den Bildtypus einer „Anna Selbdritt“ (Anna zu dritt) und versammelt drei Generationen: die heilige Anna, ihre Tochter Maria und deren Sohn, Annas Enkel, das Jesuskind. Der Bildtypus entstand aus dem blühenden Annenkult des Mittelalters, der 1481 einen Höhepunkt mit der Aufnahme Annas in den römischen Heiligenkalender erreichte. Das bürgerliche Familienideal des späten Mittelalters förderte die Verehrung der heiligen Anna als Patronin der Mütter und Ehefrauen. Als „starke Frau“ war sie zudem Patronin von Zünften, Handels- und Gewerbetreibenden. Auch ist Anna Schutzpatronin gegen Gewitter. Um den Annatag am 29. Juli beginnen die sommerlichen Hundstage, was auch die alte Bauernregel beschreibt: „Ist St. Anna erst vorbei, kommt der Morgen kühl herbei.“ Claudia Grund