Falsche Gauner und gaunernde Schauspieler

07.07.2006 | Stand 03.12.2020, 7:44 Uhr

Ingolstadt (DK) "Wirklichkeit geht in Spiel über – Spiel in Wirklichkeit!" Dieser Ausruf entfährt dem Dichter Rollin in der Kaschemme der ehemaligen Theaterdirektorin Louise, die ihrem Metier noch immer treu ist : Sie erschafft ein Milieu von falschen Gaunern, gaunernden Schauspielern und einem adligen Publikum.

Mit ihrer Inszenierung von Arthur Schnitzlers Stück "Grüner Kakadu" hat die Regisseurin Renate Murmann mit ihrem Ensemble vom Gabelsberger Gymnasium in Mainburg, dass übrigens gleich mit zwei Stücken bei den diesjährigen Ingolstädter Schultheatertagen vertreten war, eine durchweg solide Theaterarbeit produziert und aus ihren Jungschauspielern viel herausgeholt. Trotz des modernen Bühnenbildes, einer heruntergekommenen Pariser Kneipe mit Fässern, Cafétischchen und stil-echter Theke – was freilich für eine wie im Programm angekündigte "moderne Inszenierung" nicht wirklich ausreicht –, blieb der historische Bezug zur Französischen Revolution nicht aus. Nur trugen die Aufständischen keine phrygischen Mützen, sondern Palästinensertücher und Jeans.

Während das Volk draußen vor der Tür die Bastille erstürmt, wird der High Society von Paris am Abend des 14. Juli 1789 das Gefühl vermittelt, inmitten von Halsabschneidern und Dieben zu sitzen. Schauspieler spielen Verbrecher, tragen ihre Untaten in gestellten Gesprächen dem adligem Publikum vor, das den "wahren Geruch der Straße" riechen will. Doch da sich niemand so ganz sicher ist, wer hier Mime und wer wahrer Ganove ist, wird die seltsame Vorstellung von einem Kommissar in Zivil überwacht. Tatsächlich geschieht ein Mord, er geschieht sogar zweimal, so dass die Grenze zwischen Sein und Schein immer mehr verwischt wird.

Passend und erfrischend gab Florian Stoeber seinen Kommissar, der den biederen Polizeibeamten vor allem im Tonfall sehr genau traf. Beeindruckend auch die Textsicherheit und Spielfreude von Regina Hofbauer als Wirtin Louise, die nicht nur ihre eigenen, umfangreichen Zeilen sondern hin und wieder auch die ihrer Mitspieler perfekt beherrschte. Wunderbar blasiert als Marquise de Lansac Tara Freude, die beim Anblick des "einfachen Volkes" genauso viel Freude versprühte wie bei einem Zoobesuch.

Als wirklich bemerkenswert bleiben Tanja Schmidt und Melissa Goossens als "leichte Mädchen" Michette und Flipotte in Erinnerung. Sie hielten sich auch dann an ihre Rollen, wenn sie "nur" am Bühnenrand saßen. Aber etwas hat man sehr vermisst: die Männer. Herren von Mainburg, traut euch zu, Theater zu spielen und lasst euch die Rollen nicht von den Damen wegnehmen!

Sehr schön Matthias Krojer als pathetisch deklamierender Dichter Rollin: "Gleich einer Flut, die an die Ufer brandet, und tief ergrimmt, dass ihr das eigne Kind, die Erde widersteht." Vielleicht eine zu kleine Rolle für ihn.

Schade nur, dass das Ensemble erst dann zur Bestform aufzulaufen schien, als das Stück beinahe schon wieder zu Ende war. Man kann gespannt sein auf die nächste Saison. "Lasst sie für heute – lasst sie. – Sie werden uns nicht entgehen." Maximilian Cubasch