München
Falsch abgerechnet: Ermittlungen gegen Pfleger und Ärzte

29.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:08 Uhr
Auf einem Tisch in einem Schwurgerichtssaal liegt am ein Richterhammer aus Holz, darunter liegt eine Richterrobe. −Foto: Uli Deck/Archiv

Helfen, Versorgen und Behandeln sind eigentlich ihre Aufgaben - doch einige Ärzte, Apotheker und Pflegedienste bereichern sich mit falschen Abrechnungen selbst. Bayerische Ermittler haben immer mehr Verfahren eingeleitet und klagen auch Patienten vor Gericht an.

Wegen Abrechnungsbetrugs haben die Staatsanwaltschaften München I und Nürnberg-Fürth in den vergangenen zwei Jahren immer mehr Ermittlungsverfahren gegen Ärzte, Apotheker und Pflegedienste eingeleitet. Derzeit gebe es in Oberbayern, Schwaben und in Teilen von Niederbayern 188 offene Verfahren, sagte der zuständige Münchner Oberstaatsanwalt Richard Findl am Donnerstag. Anfang 2017 seien es etwas mehr als 80 Verfahren gewesen. Allein gegen Ärzte und Apotheker gibt es Findl zufolge aktuell 117 Verfahren. Bei Pflegediensten seien es 42 Ermittlungsverfahren.

In Mittelfranken, der Oberpfalz und in Teilen Niederbayerns sind derzeit 52 Verfahren offen, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf Anfrage mitteilte. Anfang 2017 seien es 10 Fälle gewesen. Etwa ein Viertel der Beschuldigten seien Verantwortliche von Pflegediensten. Bei der dritten Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Hof lagen keine Zahlen vor.

Der Vorwurf der Ermittler: Die Beschuldigten reichten bei den Versicherungen über mehrere Jahre hinweg Rechnungen ein, ohne die aufgelisteten Leistungen jemals erbracht zu haben. Außerdem hätten Pflegedienstleister unzureichend qualifiziertes Personal eingesetzt und trotzdem die Kosten für das nötige Fachpersonal berechnet.

Das Abrechnungssystem in Deutschland für medizinische Leistungen sei sehr komplex, sagte Oberstaatsanwalt Findl. So sehen gesetzlich Versicherte die Rechnungen für ihre Behandlungen nur in sehr seltenen Fällen und Krankenkassen sehen dagegen nur die Kosten, aber nicht die eigentliche Behandlung. Die Schwächen dieses Systems nutzten manche Mediziner, Pfleger und Apotheker - sowie Physiotherapeuten - aus.

Auch Patienten hätten sich am gewerbsmäßigen Betrug beteiligt. In einem Fall, den die Münchner Staatsanwälte schilderten, hatten sich ein Masseur und eine Ärztin ein Modell zum Betrug ausgedacht. Sie schrieben Bekannten zahlreiche Rechnungen für Leistungen - ohne diese als Patienten behandelt zu haben. Die angeblichen Patienten ließen sich die Kosten dann von ihrer privaten Versicherung erstatten. Den Gewinn teilten sie mit dem Masseur und der Ärztin.

Mehr als 20 Jahre hatten sie so rund 1,5 Millionen Euro umgesetzt, wie die Ermittler erklärten. Gegen zahlreiche falsche Patienten wurden inzwischen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren erlassen - die Ärztin und der Masseur warten noch auf ihren Prozess.

dpa