Kochel
Expressiv, wild, berauschend

Kochel stellt die "Tierstücke" von Georg Baselitz Werken von Franz Marc gegenüber

13.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:42 Uhr

Verkehrte Welt: Georg Baselitz wurde dafür bekannt, dass er seine Bilder auf den Kopf stellt – wie hier sein Gemälde „Ein Hund“ aus dem Jahr 1970 - Foto: Privatsammlung

Kochel (DK) Franz Marc hat Pferde und Rehe, Hunde und Katzen gemalt. Mit Ausnahme der Katzen hat auch Georg Baselitz diese Tiere auf die Leinwand gebracht. Damit erschöpfen sich aber auch schon die Parallelen zwischen den beiden Malern. Dennoch ist Baselitz nun zu Gast im Franz-Marc-Museum in Kochel, und es entsteht mit dieser Ausstellung eine spannende und sehenswerte Konfrontation.

Franz Marc, 1916 auf dem Schlachtfeld von Verdun gestorben, sah im Tier ein Wesen, dessen Dasein unverbrüchlich mit der Natur verbunden ist und das somit in einer Art paradiesischen Urzustand lebt. Diese Idealvorstellung suchte er darzustellen in seinen Tierbildern. Ganz anders Georg Baselitz, 1938 in Sachsen geboren. Er wurde ab 1970 dafür bekannt, dass er seine Bilder auf den Kopf stellt. Sein provokantes Statement lautet: „Wenn Du was Blödes malen willst, malst Du ein Viech.“ Und er erläutert, dass das Tier keine markante Physiognomie habe und deshalb sehr viel einfacher dargestellt werden könne als beispielsweise ein Mensch.

Carla Schulz-Hoffmann, Kuratorin der Ausstellung, stellte die Bilder unter den Titel: „Georg Baselitz – Tierstücke: Nicht von dieser Welt“. Sie verortet die Kühe, Pferde und Hunde, die Baselitz auch in den Bildtiteln benennt, also nicht in der Wirklichkeit. Es sind keine „Porträts“ von Haustieren, sondern sie bieten lediglich den Anlass für den Maler, seine Kunst zu zeigen. Und die ist bei Baselitz expressiv, wild, berauschend. Da werden Leiber zerschnitten und Zähne gefletscht, aber vor allem wird Farbe verteilt auf riesigen Leinwänden und Papierbögen, die eine ganze Wand füllen.

Das gilt besonders für jene Werke aus dem letzten Jahrzehnt, die im Erdgeschoss gezeigt werden. Orange und Pink, Gelb und Grün springen ins Auge – und erst auf den zweiten Blick tastet das Auge die Umrisse der Farbflächen ab und entdeckt zwei Hunde, die auf spitzen Bergkuppen zu stehen scheinen. Auf einem anderen Werk leuchtet der Himmel rot-violett über einem gelben Gebirge, darüber breiten sich die weißen Schwingen eines Adlers – aber alles wird aufgewühlt durch breite Pinselstriche, die versuchen, das flache Leinwandbild plastisch zu durchdringen.

Vielleicht ist das der Kern dieser Malerei: Sie soll nicht länger die Ebene einer Leinwand bedecken, sondern die Farbe soll hervortreten als Form, als Relief, als Raum. Der Adler, der sich aus dem Himmel stürzt, ist raumgreifend und definiert den Raum, in dem er eine Bewegung von Rasanz und Eleganz vollführt. Baselitz, um es kurz zu sagen, will mit den Mitteln eines Malers ein Bildhauer, ein Architekt, ein Schöpfer sein. Umgekehrt führt er ein Pferd, das er grob mit der Kettensäge aus Holz schneidet, in die Malerei zurück, indem er es mit roter Farbe geradezu durchtränkt.

Es geht also um die pure Malerei bei Baselitz, die nicht nur mit dem Pinsel, sondern zuweilen sogar mit den Händen ausgeführt wird. Damit ist er bei einer Frage, die vor hundert Jahren die Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“ umtrieb und die einige Künstler in die Abstraktion führte. Baselitz sucht einen neuen Weg, Malerei zum Thema seiner Kunst zu machen. Dass das Bild „Ein Hund“ eigentlich, wie er zugab, „Mein Hund“ heißen müsste, weil er sich an seinen ersten Hund erinnerte, zeigt zugleich auf, dass reine Malerei, ohne Erinnerung und Anknüpfung an die eigene Erfahrung, nicht möglich ist.

Bis 21. September im Franz-Marc-Museum in Kochel, geöffnet täglich von Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr.