Ingolstadt
"Estland verlässt sich auf die Nato"

Der Ingolstädter CSU-Abgeordnete Reinhard Brandl über seinen Besuch bei den Neuburger Luftwaffensoldaten im Baltikum

18.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:51 Uhr

Besuch aus Deutschland: Der Ingolstädter CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl (zweiter von rechts) und der Neuburger Landrat Roland Weigert (links) im Gespräch mit Gordon Schnitger (rechts), dem Leiter des Bundeswehr-Einsatzes in Estland. - Foto: Eise/Luftwaffe

Ingolstadt (DK) Vier Eurofighter-Kampfflugzeuge aus Neuburg sind derzeit in Estland stationiert, um den Luftraum über dem kleinen Nato-Land zu überwachen. Normalerweise eine Routineaufgabe – doch seit zwischen Russland und dem Westen Eiszeit herrscht, ist auch in Estland vieles anders.

Der Ingolstädter CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl hat die Bundeswehrsoldaten in Ämari besucht und auch mit estnischen Politikern in der Hauptstadt Tallinn geredet. Wir fragten ihn nach seinen Eindrücken.

 

Herr Brandl, die Berichte über Luftraumverletzungen und Provokationen russischer Militärflugzeuge im Baltikum häufen sich. Wie bewerten Sie nach ihrem Besuch in Estland denn die Situation dort?

Reinhard Brandl: Das sind nicht unbedingt Luftraumverletzungen. Das würde ja bedeuten, dass russische Flugzeuge nach Estland eindringen. Das tun sie zum Großteil nicht. Zu beobachten ist aber, dass die russischen Militärflugzeuge im internationalen Luftraum unterwegs sind und dort ihre Transponder – also die Signale, mit denen man sie identifizieren könnte – ausgeschaltet haben. Sie reagieren außerdem nicht auf Sprechfunkanfragen. Das ist auch eine Gefährdung für den zivilen Luftverkehr. Russland hat in den vergangenen Wochen plötzlich sehr viele dieser Flüge durchgeführt. Es werden Manöver mit unterschiedlichen Flugzeugen geflogen. Ganz klar: Russland zeigt damit seine Stärke – und testet auch die Verteidigungsbereitschaft der Nato.

 

Was bedeutet das für die Bundeswehr-Piloten?

Brandl: Für die deutschen Piloten hat das zur Folge, dass sie sehr viel häufiger zum Einsatz gerufen werden als früher. Man muss sich das so vorstellen: Sobald ein russisches Flugzeug ohne eingeschalteten Transponder etwa über der Ostsee unterwegs ist, steigen Nato-Kampfflugzeuge auf, stellen Sichtkontakt her, identifizieren das Flugzeug, folgen ihm und warnen damit den zivilen Luftverkehr. Das war in diesem Jahr bereits über 100-mal der Fall.

 

Wie sind die deutschen Soldaten in Estland untergebracht?

Brandl: Hervorragend. Die Unterbringung, auch die Infrastruktur am Flugplatz Ämari ist sehr gut. Estland hat sehr viel Geld in den Flugplatz investiert. Bei meinen Gesprächen im Verteidigungsministerium und im Parlament in Tallinn kam immer wieder das Angebot, noch nachzubessern, wenn etwas fehlen sollte.

 

Die Präsenz der Nato-Kampfflugzeuge ist Estland offenbar ziemlich wichtig.

Brandl: Für Estland ist dieser Einsatz auch psychologisch von großer Bedeutung. Es gibt dort eine tief sitzende Angst vor Russland. Ein Este hat mir im Gespräch erzählt, dass in den letzten 1000 Jahren Estland 38-mal von Russland angegriffen worden sei. Eine aktuelle Befürchtung ist, dass der russische Präsident Wladimir Putin auch im Baltikum zündeln könnte, um vom Niedergang der russischen Wirtschaft abzulenken. Ein möglicher Ansatzpunkt für einen Konflikt könnte dabei eine gezielte Instrumentalisierung der großen russischsprachigen Minderheit in Estland sein, die rund ein Viertel der Bevölkerung ausmacht. Estland verlässt sich deshalb auf die Beistandsverpflichtung der Nato. Es wird dort auch sehr genau beobachtet, wie in Deutschland über den Ukraine-Konflikt und die Rolle der Nato gesprochen wird.

 

Verstehen Sie Ihren Besuch dann als Beitrag, das Vertrauen der Esten in den Westen zu stärken?

Brandl: Natürlich ging es mir auch um ein Signal, dass der Einsatz der Bundeswehr in Estland auch vom Bundestag mitgetragen wird. Deshalb war ich ja bewusst auch zu Gesprächen im Parlament. Meine persönliche Einschätzung ist, dass es verheerend für das Bündnis wäre, wenn die Befürchtung entstehen würde, dass die Nato ihren Beistandsverpflichtungen nicht nachkommen würde.

 

Die Fragen stellte Johannes Greiner.