Hilpoltstein
Es zählen die Erlebnisse

Beim Familienunterstützenden Dienst wird aus dem Ehrenamt nicht selten eine Freundschaft

04.12.2020 | Stand 09.08.2023, 9:50 Uhr
Verena Amann und Jonas sind in den vergangenen Jahren zu einem tollen Team zusammengewachsen. Gemeinsam verbringen sie Jonas' Freizeit und erleben viele Dinge miteinander. −Foto: Honorata Martinus

Hilpoltstein/Roth - "Für mich ist es der schönste Moment, wenn ich merke, dass den Beteiligten gar nicht mehr klar ist, dass es sich um eine Leistung handelt, die von der Pflegekasse bezahlt wird.

" So fasst Honorata Martinus das Engagement des Familienunterstützenden Dienstes (FUD) zusammen. Der FUD ist Bestandteil der Offenen Behindertenarbeit (OBA) der Lebenshilfe Schwabach-Roth. Zum Tag des Ehrenamts an diesem Samstag gibt der Dienst einen Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten der Ehrenamtlichen. Der FUD begleitet Familien und deren Angehörige jedes Alters.

Honorata Martinus kann in ihrer Arbeit auf 85 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zurückgreifen, derzeit arbeiten von diesen aber nur 15, denn viele gehören einer Risikogruppe an. Die Anfragen aus den Familien für den FUD steigen aber stetig an. Jeden Tag kommt eine neue Familie hinzu, die gerne von der Lebenshilfe im FUD begleitet werden möchte.

Gerne sprechen die Helfer von einer "Freizeitbegleitung", nicht die amtsdeutschen Wörter wie Assistenz, Unterstützung oder Hilfe sollen im Vordergrund stehen, sondern die Begleitung in einer selbstbestimmten Freizeit. Fast alle Ehrenamtlichen eint, dass sie ihre ersten Einsätze im Bereich der OBA hatten, um dort bei Freizeiten, Ausflügen oder VHS-Kursen als zweite Kraft zu unterstützen. Im Laufe der Tätigkeit findet dann jeder den Bereich, der ihm am meisten liegt.

Gisela Oertel kam über eine Gruppenassistenz zur Leitung eigener VHS-Kurse. Zusätzlich ist sie auch im FUD tätig. Dort begleitet sie eine 26-jährige Frau mit Trisomie 21. Am liebsten gehen sie gemeinsam shoppen. Jedoch ist die Begleitung des Mädchens viel mehr als nur ein Ehrenamt, Gisela Oertel ist in der Familie integriert, wird zu Geburtstagen eingeladen und fühlt sich dort richtig wohl. Die Zeit ohne ehrenamtliche Einsätze durch die Pandemie machen Gisela Oertel zu schaffen, ihr fehlen der strukturierte Alltag, die Aufgabe, sich für die Kurse vorzubereiten und die Ausflüge mit den Gruppen.

Verena Amann begann während ihrer schulischen Ausbildung zur Ergotherapeutin mit der ehrenamtlichen Tätigkeit. Für sie war es schön, über die Ehrenamtspauschale auch eine kleine finanzielle Anerkennung zu erhalten, da man als Ergotherapeutin keine Ausbildungsvergütung erhält. Auch wenn sie ihre Tätigkeit für einen Auslandsaufenthalt und die Geburt ihrer Tochter unterbrach, kam sie immer wieder "zu uns zurück", berichtet Honorata Martinus, Leiterin der OBA der Lebenshilfe.

So war es auch mit Jonas, der heute 14 Jahre alt ist. Vor zehn Jahren erfuhr Jonas Mutter von Verena Amanns Tätigkeit bei einer anderen Familie. Daraufhin nahm sie Kontakt mit ihr auf und wurde an den FUD weitervermittelt. Seither ist Verena Amann festes Mitglied in Jonas' Familie. "Auch wenn sie zwei Jahre nicht zu uns kam, ist die Beziehung zwischen Jonas und Verena Amann etwas Besonderes", sagt Jonas Mutter. "Der Kontakt mit jemand anderem - außerhalb der Familie - tut Menschen mit einer Einschränkung besonders gut. " Denn oft falle es nicht leicht, Freundschaften in der Schule oder im Kindergarten zu knüpfen. Eine verlässliche Person, die kommt "wenn Not am Mann ist, wenn die Ferien überbrückt werden müssen", das sei Verena Amann für Jonas und seine Familie.

Aber sie ist noch viel mehr als das, weil sie sich so lange kennen, ist ein tolles Verhältnis zwischen den beiden entstanden. So ist es ganz normal, dass Jonas mit Verena Amann zu ihren Eltern in den Garten zum Planschen geht. Oder dass Verena Amann und Jonas bei seiner Oma den Nachmittag verbringen. Beide sind in den jeweils anderen Familien integriert - eine Freundschaft ist entstanden, weit mehr als die Leistung der Pflegekasse.

Verena Amann nimmt für ihre Arbeit als Ergotherapeutin einiges mit, denn das Verhältnis ist komplett anders als in einer Praxis, wo der Kontakt zu Eltern, Therapeuten oder Lehrern vorrangig sind. Für sie stehen die tollen Erfahrungen und Erlebnisse im Vordergrund, die sie ohne die ehrenamtliche Tätigkeit nicht gemacht oder anders erlebt hätte.

Auch Jonas profitiert von den gemeinsamen Erlebnissen, denn er bestimmt - gemeinsam mit Verena Amann -, was er an den Tagen mit ihr machen will. Und so ist es nicht immer nur das Erlebte im Familienumfeld, sondern sein eigener Wunsch, der umgesetzt wird.

Maria Siepelt, die David aus ihrer Nachbarschaft begleitet, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie kann miterleben, wie sich aus einer Notfallbetreuung eine freundschaftliche, ja sogar familiäre Beziehung entwickelt und sie sieht, wie sich die Entwicklung des Jungen verändert. Zu Beginn konnte David den Weg zu ihr nur telefonierend absolvieren, jetzt läuft er ganz selbstbewusst und selbstständig alleine zu seinem "Mariechen". Morgens schreibt er ihr gerne eine kurze Nachricht, bevor der Unterricht beginnt, wie eine richtige Freundschaft eben.

Davids Mutter kocht für Maria Siepelt mit, wenn sie krank ist. Maria Siepelt hat im Gegenzug eine Patenschaft für die ganze Familie übernommen und kümmert sich auch um die alleinerziehende Mutter, die zu ihrer Arbeit in Vollzeit derzeit eine Ausbildung absolviert. Gabriela Gierig, Davids Mama, sagt: "Maria ist das Beste, was uns passieren konnte, wir haben sie so lieb gewonnen, sie ist für mich und David wie eine Mutter oder Großmutter geworden. Wir wollen nicht mehr ohne sie sein und können uns voll aufeinander verlassen. "

Die OBA und der FUD wünschen sich, dass auch weiterhin Kontakte zwischen zwei Hausständen erlaubt bleiben, so dass die vertrauensvolle Entlastung der Familien wie gewohnt stattfinden und die Freizeitbegleitung auch angeboten werden kann. Ab März hofft die OBA, dass auch wieder kleine Angebote für die Freizeit stattfinden können, deshalb ist Honorata Martinus schon fleißig dabei, Corona-konforme Angebote auszuarbeiten, denn was derzeit am meisten fehlt, ist das sonst proppenvolle Programmheft der OBA.

Wer nun Lust bekommen hat, sich zu engagieren, kann sich im Internet unter www. oba-schwabach-roth. de ausführlich informieren.

HK

Anika Billerbeck