Obereggersberg
„Es war Liebe auf den ersten Blick“

Sandro und Conny Hirsch haben sich mit ihrer eigenen Alpakaherde einen Traum erfüllt – Weide bei Obereggersberg

05.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:50 Uhr
Familie Hirsch mit ihren Alpakas in Obereggersberg, Riedenburg, im Juli 2017 −Foto: Bernhard Hegenberger

Obereggersberg (DK) Dort wo vor vielen Jahren Wintersportbegeisterte am Eggersberger Skihang ihre Schwünge machten, stehen heute ungewöhnlichere Vierbeiner: Zehn Alpakas tummeln sich auf der Wiese bei Obereggersberg. Die Herde gehört Sandro und Conny Hirsch.

„Mika und Zoé, kommt.“ Diese Aufforderung lassen sich die beiden Jüngsten in der Alpakafamilie nicht zweimal sagen. Im Nu strampeln die jungen Fohlen vereint in der Herde zur Fütterung. „Wenn du dem Alpaka zu tief in die Augen schaust, dann passiert es ganz schnell, dass du dich verliebst“, erzählt Conny Hirsch von ihrem ersten Erlebnis mit den aus den südamerikanischen Anden stammenden Säugetieren. 2011 hatte die 38-Jährige mit ihrem Mann Sandro Urlaub in Dresden gemacht und wurde bei einem Bekannten auf seine 50-köpfige Alpakafarm eingeladen. „Es war Liebe auf den ersten Blick mit den so treuherzig dreinschauenden Alpakas“, verrät sie freudestrahlend.

Dieser Kontakt zu den Paarhufern ließ die beiden nicht mehr los und so ging 2015 alles Schlag auf Schlag bei der Projektumsetzung. Das Ehepaar mit ihren drei Kindern Kilian, Kira und Nik griff tief in die Familienkasse und gab mit der zweijährigen Stute Judy und dem einjährigen Hengst Anaximander den ersten beiden Tieren ein neues Heim gaben. Kein leichtes Unterfangen war es für sie, einen geeigneten Unterbringungsort zu finden, so dass die neuen Familienmitglieder fürs Erste im eigenen Garten grasten. Bald aber fand sich mit der in Obereggersberg befindlichen Wiese ein geeigneter Weideplatz. In Handarbeit wurde ein passender Unterstellplatz gebaut, wo sich die Tiere gegen Frost und Hitze schützen können.

„Jedes unserer Alpakas hat einen aussagekräftigen Namen und so wuchs die Herde mit den Stuten Wunderquelle, Penelopé, Athena, Fiona, Samantha und dem schwarzen Hengst Habsburg“, erzählt Conny Hirsch. Auf dem ehemaligen gut ein Hektar großen Skihang können die Alpakas das frische Gras abknabbern und sich ideal austoben. Gern werden die zutraulichen Tiere darum auch als Landschaftsgestalter bezeichnet.

Eigentlich leben Alpakas ausschließlich in Südamerika und dort vor allem in den Regionen der Anden im südlichen Peru sowie im westlichen Bolivien. Weil sie gezüchtete Haustiere sind, kommen Alpakas in verschiedenen Lebensräumen vor, zum Beispiel im Hochgebirge, im Grasland, in der Steppe oder in der Halbwüste – und eben immer mehr auch in Westeuropa. Wie die Lamas gehören die Alpakas zur Familie der Kamele und damit zu den Schwielensohlern und Paarhufern. Sie haben lange Beine und einen langen Hals. Bis zum Rücken gemessen sind erwachsene Alpakas zwischen 80 und 100 Zentimeter hoch und wiegen etwa 65 bis 80 Kilogramm. Damit sind sie im Durchschnitt deutlich kleiner und leichter als Lamas. Ihr Fell ist sehr fest, die Haare können beim Suri bis zu 50 Zentimeter wachsen. Meist sind die Tiere einfarbig braun, schwarz oder dunkelgrau, manchmal auch apricotfarben. Einige Alpakas sind sogar gescheckt. Ihre Kopfform ist dreieckig, die Ohren sind gerade und speerförmig.

Alpakas sind sehr stolze, intelligente, neugierige, freundliche, liebevolle und gutmütige Tiere. Diese besonderen Eigenschaften und ihre beruhigende Art lieben nicht nur Kinder, die an den Umgang mit Alpakas sehr schnell besondere Freude finden. Viele Menschen haben das Vorurteil, dass Alpakas spuken. „Normalerweise spucken die Vierbeiner nicht nach dem Menschen, doch wenn sie gereizt werden, das Fell geschoren wird oder der Futterneid durchschlägt, dann geht’s schon manchmal los“, sagt Sandro Hirsch. Zwei Typen kennzeichnen die Alpakas: Das Huacaya-Alpaka hat eine dichte, füllige und gekräuselte Wolle. Das mit zehn Prozent eher seltene Suri-Alpaka dagegen hat ein eher lockiges Fell. Die geschätzte Edelfaser gibt es in 22 reinen Naturfarben und in bis zu 60 Schattierungen, von beige, weiß, braun, grau bis zu tiefstem schwarz. „Die Faser ist sehr berühmt wegen ihrer Feinheit, Weichheit und des wundervollen Glanzes“, erläutert Sandro Hirsch, der erst kürzlich die ersten Alpakas von der warmen Wolle befreit hat.

Sandro Hirsch schert seine Alpakas selbst, auch wenn er dabei viel Zeit und Muskelkraft verbraucht. Zudem schneidet er die Zehennägel, damit die Tiere besten Stand haben. „Die Wolle hält Wärme mindestens fünfmal besser als Schafwollgarne und enthält kein Lanolin und ist daher optimal für Allergiker geeignet“, so der Alpakazüchter. Die Rohwolle kann zu hochwertigem Alpakagarn verarbeitet werden. Der Faserertrag beim Scheren eines Tieres liegt bei drei bis sechs Kilogramm pro Tier und pro Jahr, davon sind jedoch nur etwa ein bis drei Kilogramm nutzbar. „Grundsätzlich sind Alpakas sehr robuste Tiere, die zwischen 20 und 25 Jahren alt werden können“, ergänzt Conny Hirsch. So können die Alpaka-Rancher viele Jahre Freude mit den Tieren haben.

Und es gibt noch viele weitere Vorteile dieser seltenen Vierbeiner. Aufgrund des Haus- und Begleittiercharakters der ruhigen und friedlichen Alpakas finden diese immer mehr Bedeutung in der tiergestützten Alpaka-Therapie von behinderten und gestressten Menschen. Die unaufdringliche, lernfähige, neugierige Art und die Schönheit des weichen Tieres hat eine erstaunliche Wirkung auf Menschen mit Handicap und Suchtkranke. „Wer gestresst ist, findet mit den Alpakas hervorragend Ruhe“, beschreibt Conny Hirsch.

Die Fortpflanzung ist bei Alpakas nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden. Die Stute kann also das ganze Jahr über gedeckt werden. „Die Tragzeit beträgt etwa 340 bis 365 Tage und die Stute bringt ein einzelnes Jungtier zur Welt“, erläutert Conny Hirsch. Etwa sechs bis acht Monate werden die Jungtiere von der Mutter gesäugt und erreichen mit durchschnittlich einem bis zwei Jahren die Geschlechtsreife. Unbeschreiblich groß ist deshalb die Freude bei Kira, Kilian und Nik sowie bei den Eltern über die beiden ersten Fohlen. Mitte Mai wurde die rehbraune Zoé und Anfang Juni der dunkelbraune Mika von den beiden Stuten Judy und Samantha geboren. In den ersten Wochen verbrachte Familie Hirsch viel Zeit mit den neugeborenen Alpakas, schaute mehrmals täglich nach dem Rechten.

Als Wiederkäuer benötigen die Alpakas stets gutes, strukturreiches Futter, wie Gras und Heu und natürlich sauberes Wasser. Zusätzlich erhalten sie etwas Mineralfutter und Vitamine. Mindestens einmal am Tag erfolgt ein Kontrollgang auf der Weide, bei dem überprüft wird, ob alle Tiere einen gesunden Eindruck machen. Ohne regelmäßige Pflege und gesundheitsfördernde Maßnahmen geht es bei Alpakas nicht. Das beginnt schon bei den ganze Kleinen wie Mika und Zoé, die regelmäßig kontrolliert werden. Die Tiere haben alle eine gezielte Abstammung und die Zuchteignungsprüfung mit hervorragenden Noten bestanden.

Den Großteil des Jahres stehen die Tiere auf der saftigen Weide. In den kalten Monaten aber ist ein warmer Unterstand erforderlich. Viel vor haben Conny und Sandro Hirsch in den nächsten Jahren, denn sie wollen auf dem ein Hektar großen Gelände bis zu 24 Alpakas halten. In Gedanken schwärmen sie schon von Alpaka-Wanderungen, bei denen sich die Teilnehmer ganz gemütlich eine Auszeit vom Alltag nehmen können. „Alle Gestressten können von Alpakas viel lernen, denn wer sich auf das Tempo dieser Vierbeiner einlässt, erfährt vollkommene Ruhe“, sind sich die beiden Züchter sicher.