Eichstätt
"Es trifft wieder die kleinen Bauern"

Eichstätter Landwirt sieht Existenz von Ferkelerzeugern durch neue Verordnung bedroht

08.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:49 Uhr
Auf dem Häringhof des Eichstätter Landwirts Johannes Scharl können die Schweine die Kastenstände wenige Tage nach dem Besamen verlassen, wenn sie wollen. Sie nutzen die Gelegenheit gern, kehren aber auch aus eigenen Stücken wieder in die Boxen zurück. −Foto: Richter

Eichstätt - Der Eichstätter Landwirt Johannes Scharl (41) ist keiner, der im Verborgenen agiert.

 

Schon immer haben er und seine Frau Barbara (34) ihre Ferkelerzeugung allen Interessierten geöffnet. "Es gibt nichts zu verbergen, wir gehen mit allem offen um", erklärt der stellvertretende Kreisobmann des bayerischen Bauernverbandes für Eichstätt und Ingolstadt. "Wir sind ein Tierwohlbetrieb", sagen sie und sehen auch keinen Widerspruch darin, dass ihre Tiere zeitweise in Kastenständen untergebracht sind. Die Neufassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, am Freitag nach langer Hängepartie und mehreren Verschiebungen im Bundesrat beschlossen, sehen sie erst einmal positiv. "Endlich herrscht Planungssicherheit für die Landwirte", sagt Scharl. Im Detail ist er jedoch längst nicht mit allen Vorgaben einverstanden.

Die Verordnung sieht eine deutliche Verkürzung der Fixationsdauer von Sauen vor. Statt bisher bis zu 70 Tagen je Produktionszyklus sollen Muttertiere künftig nur noch ganz kurz zur Besamung und später maximal fünf Tage, nämlich im Abferkelbereich um den Geburtszeitraum herum, in den Kastenstand. Die Übergangsfrist beträgt 15 Jahre. Zudem sichert die Änderung den Sauen künftig mehr Platz zu, nämlich mindestens fünf Quadratmeter pro Tier im Deckzentrum, wo nach einer Übergangszeit von acht Jahren komplett auf die Kastenstandhaltung verzichtet wird.

Um Letzteres umzusetzen, müssen die Tierhalter innerhalb von drei Jahren ein Umbau- oder Erweiterungskonzept für ihre Ställe vorlegen. Innerhalb von fünf Jahren muss ein Bauantrag vorliegen und die Maßnahme dann innerhalb der genannten acht Jahren umgesetzt sein. "Das wird für viele Betriebe bedeuten, dass sie aufgeben müssen, denn das wird so kurzfristig sicher nicht zu schaffen sein", befürchtet Johannes Scharl. "Es trifft wieder mal die kleinen bayerischen Bauern. "

51 Ferkelerzeuger gibt es derzeit noch im Raum Eichstätt und Ingolstadt, "einige haben mir gegenüber bereits angekündigt, aufzuhören, wenn alles so kommt, wie jetzt beschlossen", sagt der Vize-Kreisobmann des Bauernverbandes. "Viele Betriebe liegen in Dörfern, da kannst du nicht beliebig mehr Platz schaffen. " Alternativ den Bestand zu reduzieren, sei für die oft ohnehin kleinen Höfe aber nicht mehr rentabel.

Der Familienbetrieb Scharl besitzt 300 Zuchtsauen und produziert rund 7000 Ferkel im Jahr. "Wir haben das Glück, erst vor drei Jahren neu gebaut zu haben", sagt der 41-jährige Eichstätter. Er hat sogar Auslaufbereiche für die meisten seiner Tiere geschaffen, obwohl sie nicht vorgeschrieben sind. "Da können sie jederzeit raus. " Die Kastenstände, das räumt er ein, seien optisch "scheußliche Dinger". Aber er will sie nicht ganz verteufeln, denn "sie bedeuten einen Schutz für die Tiere".

So hat Scharl die Aufenthaltszeit seiner Schweine in den Stahlboxen schon bisher auf das Nötigste reduziert. Im Besamungsstand stehen die Sauen nur ein paar Tage, erlaubt wären bis zu 28. "Das ist zur Sicherheit der Schweine, weil manche Sauen, wenn sie rauschig sind, wie Eber auf andere aufspringen - wenn das obere ein 280-Kilo-Tier ist und und unten eins mit 160 Kilo, kann schon mal ein Rückgrat brechen. " Die Box verhindere das. In seinem Stall können die besamten Muttertiere außerdem den Kastenstand selbst verlassen und im Stall oder Außenbereich herumlaufen. Sie kehren selbst wieder in die Boxen zurück - etwa wenn sie von anderen bedrängt oder besprungen werden. "Da haben sie dann ihre Ruhe. "

Im Abferkelbereich hält der Eichstätter es so, dass die Sauen nur sechs, sieben Tage im Kastenstand stehen, erlaubt sind bisher 35. Hier geht es ihm um den Schutz der Ferkel, "damit sie nicht versehentlich erdrückt werden. " Nach etwa einer Woche öffnet er die Box für das Muttertier. "Das geht aber alles nur, weil unser Stall relativ neu ist und wir sehr großzügig gebaut haben", sagt der Vize-Kreisobmann der Bauern.

"Viele Kollegen haben diese Möglichkeit aber nicht. " Den in der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geforderten Umbau in so kurzer Frist würden manche wohl nicht leisten können und aufgeben müssen. "Am Ende geht es wahrscheinlich so aus, dass die Ferkel überwiegend aus dem Ausland importiert und auf langen Wegen herangeschafft werden. Wie diese Tiere erzeugt worden sind, interessiert anscheinend keinen Menschen. "

DK

Horst Richter