"Es muss endlich ein Jagdverbot ausgesprochen werden"

Christiane Geidel vom Landesbund für Vogelschutz erklärt, warum es die Turteltaube nicht nur bei uns so schwer hat

10.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:52 Uhr
Christiane Geidel ist beim LBV für Naturschutz und Landschaftsplanung zuständig. −Foto: LBV

Frau Geidel, wo kann man die Turteltaube bei uns noch beobachten?

 


Christiane Geidel: Die Turteltaube kommt dort vor, wo es klimatisch wärmer und begünstigt ist. Das sind in Bayern vor allem die Gebiete in Unterfranken und entlang der Donau. Sie ist ein Flachlandvogel: Man findet sie in Bereichen mit lückigen Waldstrukturen, Gebüsch, Sträuchern und Hecken - also sehr offene, strukturreiche Landschaften. Sie fühlt sich aber auch in Kiesgruben und auf Truppenübungsplätzen wohl, die nicht mehr genutzt werden und sehr schnell zuwachsen. In diesem Buschwerk lebt und brütet die Turteltaube.

Wieso heißt sie eigentlich Turteltaube?

Geidel: Sie heißt so wegen ihres ganz besonderen, eindringlichen Rufes. Das ist eine Aneinanderreihung von Turrturrturr-Lauten - wie ein monotones Surren. Wir haben vielleicht als Erstes Liebespärchen im Kopf. Die Redewendung "Turteln wie die Täubchen" ist tatsächlich von der Turteltaube abgeleitet, weil die Paare sehr liebevoll miteinander umgehen, sich kosen, putzen oder sich das Gefieder am Kopf kraulen.

Jetzt hat es sich aber bald vielleicht ausgeturtelt. Warum stürzt die Turteltaube so dramatisch ab in ihrem Bestand?

Geidel: Es geht schon seit Jahrzehnten bergab mit der Turteltaube. Die Gründe sind vielschichtig. Zum einen findet sie immer weniger Brutstätten. In unserer Landschaft wird immer mehr freigeräumt, und damit werden ihre Lebensräume zerstört. Zum anderen wird ihr nach und nach die Nahrungsgrundlage entzogen. Die Turteltaube ernährt sich fast ausschließlich von Pflanzensamen der klassischen Ackerunkräuter, die mit Pestiziden bekämpft werden. Die Turteltaube hat sich mittlerweile angepasst und frisst Kultursamen wie Getreidekörner und Hülsenfrüchte. Dieses Saatgut wird in der Regel behandelt gegen Pilze oder Krankheiten. Das ist totgiftig für die Turteltaube: Wenn sie nicht sofort stirbt an diesen behandelten Körnern, dann möglicherweise die Jungvögel, die damit ernährt werden. Ein dritter Punkt: Unsere Turteltaube ist die einzige Taube, die zieht - sie überwintert südlich der Sahara. Auf dem Weg dorthin wird sie im Mittelmeerraum bejagt. Wir haben die europäische Vogelschutzrichtlinie, um die Bestände unserer heimischen Vogelarten zu erhalten. Dennoch dürfen zehn EU-Staaten die Turteltaube legal schießen. Das setzt den i-Punkt auf das Bedrohungsszenario.

Was können wir denn tun zum Schutz der Turteltaube?

Geidel: Das ist schwierig bei der Turteltaube. Was sie bedroht, sind alles Szenarien, die auf politischer Ebene gelöst werden müssen. Die einzige Empfehlung ist tatsächlich, sich mehr für den Umwelt- und Umweltschutz einzusetzen und sich den Kampagnen der Verbände anzuschließen - Nabu und LBV setzen sich für eine Änderung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik ein. Denn nur dort können die Stellschrauben gedreht werden. Zusätzlich muss endlich ein Jagdverbot in der EU ausgesprochen werden. Ansonsten empfiehlt sich immer, regional einzukaufen und auf alte Kultursorten zurückzugreifen - etwa auf Feldfrüchte wie Linse oder Hirse, die auch von der Turteltaube selbst gern gefressen werden. Wenn man solche Früchte mehr isst und nachfragt, dann werden sie irgendwann auch mehr angebaut. So kann man durch bewussten Konsum indirekt einwirken.

DK



Die Fragen stellte

Suzanne Schattenhofer