Kloster Seeon
"Es müssen Ergebnisse folgen"

Ministerpräsident Söder fordert bei der CSU-Winterklausur in Seeon Tatkraft statt ewige Debatten

03.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:32 Uhr
Beim Auftakt der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon stehen Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (links) und Ministerpräsident Markus Söder den Journalisten Rede und Antwort. −Foto: Balk/dpa

Kloster Seeon (DK) Vor einem Jahr hat Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag auf der Klausurtagung im Kloster Seeon (Landkreis Traunstein) noch laut getönt, eine "konservative Revolution" ausgerufen und gegen "linke Meinungsvorherrschaft" gewettert.

Was folgte, war die Ablösung von Horst Seehofer als bayerischer Ministerpräsident, seine Einsetzung als Bundesinnenminister, ein weiteres halbes Jahr arge Auseinandersetzungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer CDU in Sachen Flüchtlingspolitik - und eine weitere Wahlklatsche für die CSU bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst.

Spätestens seitdem wurde es ruhig um Dobrindt. Im Rennen um die Nachfolge Seehofers als CSU-Chef spielte Dobrindt keine Rolle mehr: Markus Söder ist der neue starke Mann der Christsozialen. Lediglich Manfred Weber, der sich anschickt, aus eigener Kraft bei der im Mai anstehenden Europawahl EU-Kommissionschef zu werden und deshalb auf eine Kandidatur als CSU-Chef verzichtete, kann ihm machtpolitisch noch das Wasser reichen. Dabei muss man wissen: Söder, der sich bereits im Landtagswahlkampf geläutert gab, und der ohnehin liberale Weber haben bereits vor Monaten einen Burgfrieden geschlossen, der vorerst auch zu halten scheint. Dobrindt indes, der als das "Herzpflanzerl" Seehofers gilt, ist sogar vielen in seiner CSU-Landesgruppe zu rechtskonservativ unterwegs.

Pünktlich zur Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im neuen Jahr meldete sich Dobrindt nun wieder mit seinen Anliegen zu Wort. Es geht um Migration, Sicherheit und die Union als bürgerlich-konservative Volkspartei. Dass vor ein paar Tagen vier Asylbewerber marodierend durchs fränkische Amberg zogen - es kommt dieser Diskussion wie gerufen. Bundesinnenminister Horst Seehofer fordert wie Landesgruppenchef Dobrindt die Ausweisung derer, die das Gastrecht missbrauchen.

Söder indes hat längst gemerkt, dass diese wohlbekannte Diskussion für die CSU kein Gewinnerthema ist; erst recht nicht, wenn es sich um eine bloße Fortsetzung handelt. Er verurteile die Vorfälle in Amberg aufs Schärfste, ließ er bei seinem Eintreffen in Seeon wissen. Und: "Es müssen Ergebnisse folgen. " Dieser kleine Satz ist im Grunde ein massiver Angriff auf Seehofer und Dobrindt. Er besagt: Eure Diskussionen der vergangenen drei Jahre, seit der Flüchtlingskrise 2015, haben gar nichts gebracht. Eine gesetzliche Verminderung von Abschiebehemmnissen sei zwar praktisch, so Söder, aber "die Menschen sind die Theorie-Debatten leid".

Auch in Sachen Solidaritätszuschlag hatten CSU-Politiker seit Jahren den Abbau versprochen, Dobrindt hat den kompletten Verzicht auf die Sondersteuer im vergangenen Herbst selbst gefordert. Doch passiert ist praktisch nichts. Es ist wie bei der Pkw-Maut für Ausländer: Mit dem Thema hat die CSU die vorletzte Bundestagswahl 2013 gewonnen - und obwohl sie seit nun 13 Jahren in Berlin an der Regierung ist und sogar die letzten drei Bundesverkehrsminister gestellt hat (inklusive Dobrindt) gilt es als vermeintlicher politischer Meilenstein, dass der aktuelle Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Einführung der Pkw-Maut nun für Herbst 2020 in Aussicht gestellt hat. Söder ahnt, dass die Menschen im Lande derlei erkennen und den Kopf schütteln.

Dass Dobrindt zum Auftakt der CSU-Klausur im Kloster Seeon das Jahr 2019 wieder und wieder als "Jahr der Chancen" bezeichnet, tut da nichts weiter zur Sache. Auch nicht, dass er warnt, die "destruktiven Kräfte" der Linken wie der Rechten würden versuchen, die politische Stabilität durch Angstmacherei, Manipulation und das Schüren von Panik zu zerstören. Dieses Geschäft hat Dobrindt schließlich jahrelang selbst betrieben. Dass ausgerechnet er nun von einer "Schicksalsgemeinschaft" von CDU und CSU spricht und den bevorstehenden Besuch der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Klausur in Seeon begrüßt, klingt für Dobrindt-Kritiker wie Hohn - schließlich habe er selbst erheblich beigetragen, das Verhältnis zu zerrütten, heißt es hinter den Kulissen.

Söder indes will lieber auf einen Dreiklang aus Erneuerung, Partnerschaft und Profil setzen. Erneuerung sei nicht nur, dass die CSU demnächst einen neuen Parteichef wähle. Bei dem Thema gehe es vielmehr um gesellschaftliche Veränderungen, die die CSU aufgreifen müsse, "konstruktiv", "sympathisch", "jünger", "weiblicher" und "offener", so Söder. Bei Partnerschaft gehe es ihm darum, dass nicht nur die Landtagsmitglieder für Bayern kämpfen, die Berliner für die Bundesangelegenheiten und die Brüsseler um ihre EU-Themen, sondern dass vielmehr der Schulterschluss gesucht werde: Die CSU als Regionalpartei, die die bayerischen Anliegen auf allen Ebenen partnerschaftlich vertritt, statt sich "im Profilstreit zu verheddern".

Und wenn es ums Profil geht, dann stehen für Söder wichtigere Themen auf der Agenda als sich (womöglich erfolglos) über die Vorfälle in Amberg zu echauffieren - etwa die ökonomische Zukunft Bayerns und Deutschland, die Zukunft der Steuern oder die Arbeitsmarkt-Reform, so Söder.

Bei den bayerischen Wählern kommt dieser neue Söder wieder etwas besser an, wie eine gestern erschienene Umfrage von Sat. 1-Bayern zeigt: Im Vergleich zum September haben sich seine persönlichen Werte etwas verbessert. 49 Prozent halten ihn für einen guten Ministerpräsidenten, 45 Prozent nicht. Im September sagten noch 51 Prozent, Söder sei kein guter Ministerpräsident.

Die Umfrage zeigt allerdings auch, dass die Kandidatur des CSU-Europapolitikers Manfred Weber und dessen Griff nach dem mächtigsten Amt in der EU, dem Kommissionspräsidenten, noch lange kein Selbstläufer ist. Nur jeder Zweite in Bayern kennt Weber - auch, wenn seine Nominierung über Parteigrenzen hinweg grundsätzlich begrüßt wird. Gleichwohl droht der CSU ein Absinken auf 36 Prozent, während Grüne und AfD stark zulegen könnten (CSU 36 Prozent, Grüne 18, AfD 13, SPD 10, FDP 8, FW 5, Linke 4, Sonstige 6). Gleichzeitig steigt die Unzufriedenheit der Bayern mit Seehofer (71 Prozent) und der Bundesregierung (67 Prozent) auf einen Höchststand, so die Sat. 1-Bayern-Umfrage.

Derlei könnte in den nächsten Monaten noch zu einer Herausforderung werden: Schließlich hat die große Koalition auf Wunsch der SPD den Passus in den Koalitionsvertrag aufgenommen, man wolle in diesem Jahr prüfen, ob die Koalition etwas bringe - und sie gegebenenfalls beenden.

Alexander Kain