München
Es kracht schon wieder

Der Streit zwischen CSU-Chef Seehofer und Finanzminister Söder geht in die nächste Runde

08.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:05 Uhr

München (DK) Auf ihrem Parteitag hat die CSU die große Harmonie ausgerufen. Gehalten hat die Einigkeit aber nicht einmal 24 Stunden. Inzwischen bekämpfen sich Horst Seehofer und Markus Söder scharf wie lange nicht.

Dass Horst Seehofer sich selbst für einen Meister auf dem Schlachtfeld politischer Taktierereien hält, daraus macht der Ministerpräsident keinen Hehl. Seine Strategien hält er für so geschickt, dass sie auch für Parteifreunde oft gar nicht zu durchschauen sind, wie er jüngst beim CSU-Parteitag betonte, um damit für ein "Grundvertrauen" der Delegierten zu werben.

Dass er andere für weniger gewieft hält, dürfte da wenig überraschen. Die Deutlichkeit, mit der der CSU-Chef seinem wichtigsten Minister nun die Fähigkeit zum taktischen Handeln abgesprochen hat, ist dann aber doch bemerkenswert. "Wer jeden Tag einen Förderbescheid überreicht, ist noch lange kein Stratege", hat Seehofer am Montag bei einer parteiinternen Sitzung in Berlin gesagt, wie Teilnehmer gestern bestätigten. Ein unverhohlener Angriff auf seinen aussichtsreichsten Nachfolgekandidaten Markus Söder.

Der neu ausgebrochene Zwist dreht sich - wie könnte es in der CSU anders sein - um eine Personaldebatte. Im Mittelpunkt stehen dabei aber eigentlich weder Seehofer noch sein Finanzminister. Es geht um die Bundeskanzlerin und die Frage: Soll die CSU schon jetzt ihre Unterstützung für Angela Merkel (CDU) bei der kommenden Bundestagswahl kundtun, wie es etwa Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt oder Parteivize Manfred Weber gefordert hatten? Nein, finden sowohl Seehofer als auch Söder. Erst müssten noch Sachfragen geklärt werden, etwa bei den Themen Rente, Türkei oder Bundespräsident.

Söder hatte den Merkel-Befürwortern am Wochenende in einem Interview "vorauseilenden Gehorsam" vorgeworfen, obwohl sich die CSU nach dem Ende des Parteitags eigentlich in Harmonie und Geschlossenheit üben wollte. Seehofer nahm die Äußerungen des Finanzministers zum Anlass, um in der gemeinsamen Sitzung der Vorstände von CSU-Landesgruppe und Landtagsfraktion kräftig gegen Söder vom Leder zu ziehen - ohne diesen direkt beim Namen zu nennen. Privatstrategien und das Säen von Zwietracht warf er Söder vor, der bei dem Treffen nicht dabei war. Schon direkt nach dem Parteitag hatte Seehofer zudem im Bayerischen Rundfunk zu Personalwechseln in der CSU gesagt: "Ich möchte, dass dies im Teamgeist erfolgt und nicht egoistisch, weil eine Person meint, es geht nur mit ihr oder alles mit ihr." Auch hier dürfte sich Söder direkt angesprochen gefühlt haben.

Der Angegriffene selbst gab sich am Tag nach der Attacke demonstrativ entspannt. Am Nachmittag ließ er sich von Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gegen Grippe impfen. Auf Fragen nach Seehofers Attacken ging Söder dabei nicht ein und sagte lediglich: "Ich bin jetzt ein Jahr gegen alles geimpft."

In einer Gastrede beim Bezirksparteitag der ihm wohlgesonnenen Münchner CSU gab es vom Finanzminister am Abend zumindest kleine Anspielungen. So forderte er etwa, dass sich die CSU "strategisch" um bisherige Nichtwähler bemühen müsse. Zudem bekräftigte er, dass er sich bei der Wahl zwischen Berlin und München immer für die Landeshauptstadt entscheiden würde.

In der Landtagsfraktion ist man dagegen mächtig sauer. Schon beim Parteitag hatten sich viele führende CSU-Köpfe genervt gezeigt von den ständigen Debatten rund um die beiden Streithähne. Dieses Gefühl dürfte sich nun bei vielen noch kräftig gesteigert haben. Der Hofer Abgeordnete Alexander König griff sogar den Ministerpräsidenten öffentlich an. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Ich halte dieses ständige Söder-Bashing für parteischädigend."

Dass die Zusammenarbeit der zwei Alphatiere unter der gegenseitigen Abneigung leiden könnte, wird in der Fraktion aber bestritten. Es habe schon früher zwischen den beiden gekracht, ohne dass die Regierungsarbeit zu kurz gekommen sei, heißt es. Gemeint ist damit vor allem eine Seehofer-Attacke aus dem Jahr 2012. Damals lästerte er auf der CSU-Weihnachtsfeier unter anderem über "charakterliche Schwächen" und "Schmutzeleien" Söders und bezeichnete diesen als "vom Ehrgeiz zerfressen".

So tief wie jetzt waren die Gräben zwischen den Kontrahenten aber schon lange nicht mehr. Dass der Konflikt noch einmal in die von Seehofer viel zitierte Kühlbox gepackt werden kann, ist daher unwahrscheinlich - vor allem, weil der Parteichef die Debatten mit "strategischen Überlegungen" immer wieder selbst befeuert, um im nächsten Moment Ruhe, Disziplin und Teamwork zu fordern. Die dahinter steckende Strategie versteht wahrscheinlich wirklich nur der Regierungschef selbst.