Ingolstadt
Es könnte eng werden

Im Alten Westviertel wehren sich Anwohner gegen den Bau von zwei Sechsfamilienhäusern

19.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:18 Uhr
Nach der Baumrodung steht auf dem Baugrundstück am Graßlweg nur noch der Altbestand. Der Bauträger will dort zwei Sechsfamilienhäuser errichten. Nach dem Wunsch der Anwohner soll sich die neue Bebauung an den beiden Fünffamilienhäusern am Nachbargrundstück orientieren. −Foto: Hauser

Ingolstadt - Beim Stichwort Nachverdichtung scheiden sich die Geister.

Einerseits wird dringend benötigter Wohnraum geschaffen, andererseits werden gewachsene Strukturen in den Stadtvierteln massiv verändert. Immer wieder kommt es deswegen auch zu Konflikten. Ein Beispiel unter vielen ist die geplante Bebauung am Graßlweg im Alten Westviertel, die vor kurzem auch im Planungsausschuss zur Sprache kam. Der Bau zweier Sechsfamilienhäuser mit Tiefgarage stört dort zahlreiche Anwohner mächtig. Fast 200 Unterschriften haben Hans Zech und einige andere Bürger des Viertels gesammelt.

Grundsätzlich sei das, was vorliege, genehmigungsfähig, sagte OB Christian Lösel in der Ausschusssitzung, wenngleich er durchblicken ließ, dass er damit wohl nicht so glücklich ist. Es hat auch schon Gespräche zwischen den Anwohnern und der Baufirma gegeben, was aber offenbar bislang nicht viel gebracht hat. Lösels Ziel: In einem Pendelverfahren in verschiedenen Einzelgesprächen einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss erreichen.

Dieses Vorgehen war von den Konfliktparteien auch akzeptiert worden. Allerdings mit der Einschränkung, so die Forderung der Anwohner, dass während des Pendelverfahrens keine Baugenehmigung beziehungsweise keine Genehmigung zum Fällen der Bäume auf besagtem Grundstück erteilt werden soll. Doch diesem Wunsch hat die Stadt nicht ganz entsprochen. Sie hat auf Antrag des Bauträgers inzwischen eine Teilbaugenehmigung für die Erdarbeiten ausgesprochen, die die Rechtsgrundlage für die Rodung bildet. Die Bäume - darunter sehr stattliche Exemplare - sind schon weg, die alte Bebauung steht dagegen noch.

Darüber ärgern sich Hans Zech und seine Mitstreiter. "Wir sind natürlich davon ausgegangen, dass während des Pendelverfahrens nichts geschieht", betont er. Er befürchtet, dass so Tatsachen geschaffen werden. Dagegen weist Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle darauf hin, dass die Baumfällung mit Umweltreferent Rupert Ebner abgesprochen war und bis Ende Februar erfolgen musste, da am 1. März die Brutzeit der Vögel beginnt. Wie sie betont, gelte die Teilbaugenehmigung nur für die Erdarbeiten, aber nicht für die geplante Tiefgarage - wobei deren Volumen selbst bei einer Reduzierung der Kubatur der Wohnbebauung bleiben wird.

Unstrittig ist, dass der Bauantrag für zwei Sechsfamilienhäuser genehmigt werden muss. Dies sieht laut Preßlein-Lehle auch die Regierung von Oberbayern so. Denn genau in diesem kleinen Bereich im Alten Westviertel gibt es keinen Bebauungsplan. Der Investor kann also den Grund ausnutzen.

Grundsätzlich akzeptiert auch Hans Zech, der wie etliche seiner Mitstreiter in dem ruhigen, stadtnahen Viertel mit teils noch großen, eingewachsenen Gärten aufgewachsen ist, angesichts der Wohnraumknappheit eine gewisse Nachverdichtung - jedoch mit Maß und Ziel, wie er betont. Dabei spielt auch der Verkehr eine Rolle. Nach seinen Berechnungen käme man bei zwei Sechsfamilienhäusern auf dem gut 1000 Quadratmeter großen Grundstück auf eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 1,0. Die GFZ gibt das Verhältnis der gesamten Geschossfläche aller Vollgeschosse der baulichen Anlagen auf einem Grundstück zu der Fläche des Baugrundstücks an. Bisher war laut Zech bei den letzten Bauvorhaben im Alten Westviertel eine GFZ von ungefähr 0,5 üblich, in Einzelfällen auch bis zu 0,66. Das neue Bauvorhaben fällt nach seiner Auffassung völlig aus dem in diesem Viertel geltenden Rahmen. Sein Vorschlag: Der Bauträger soll sich an einer vor einigen Jahren ebenfalls von ihm errichteten Wohnanlage orientieren, die sich direkt daneben befindet. Dies würde zwei Baukörper mit je zwei Vollgeschossen und einer Grundfläche von je rund 150 Quadratmetern ergeben.

"Wir sind nicht stur", heißt es bei SB-Bau. Die Firma hat nach eigenen Aussagen bereits vor dem Kauf des Grundstücks das Gespräch mit der Stadt gesucht und dann erst mit der Planung begonnen. Ziel sei eine hochwertige Bebauung, weil die sich auch besser verkaufen lasse. Man wolle eine Annäherung erzielen, aber auch ein baldiges Ergebnis. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben auch schon einen Lösungsvorschlag: Ein Staffelgeschoss (wie anfangs auch geplant) statt des Walmdachs. Das Gebäude wäre dann deutlich niedriger. Das Problem: Die Stadt Ingolstadt will mittlerweile keine Staffelgeschosse mehr.

DK

Bernhard Pehl