"Es kocht Vieles im Verborgenen"

23.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:25 Uhr

Die Leiterin der LFB, Maria Weidenhiller stellte mit ihren Mitstreitern Maria Böhm und Ludwig Pfaller den Dienst vor. Bei dem überkonfessionellen Beratungsangebot ist auch die evangelische Kirche im Boot – im Bild vertreten durch Berater Volker Schmiedeke. Lob für das Engagement gab es unter anderem von AELF-Leiter Günther Schühlein und KLB-Diözesanvorsitzenden Thomas Schneider. - Foto: Leykamm

Weißenburg (EK) Zumindest im Klischee gibt es sie noch: die ländliche Idylle mit den bäuerlichen Familien. Doch unter den Dächern auf den Dörfern bestimmen nicht selten Generationenkonflikte und Existenzängste das Leben.

Abhilfe will die Landwirtschaftliche Familienberatung (LFB) schaffen. Die Einrichtung wirkt inzwischen seit zwei Jahren auch in der Diözese Eichstätt segensreich. Geleitet wird jener Dienst dort von Maria Weidenhiller, die ihn nun im Weißenburger Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vorstellte. Lob gab es für jene Sozialarbeit auf dem Lande auch vom stellvertretenden Landrat von Weißenburg-Gunzenhausen, Robert Westphal, der auf die vielschichtigen Probleme hinwies, mit denen bäuerliche Familien in unseren Tagen zu kämpfen haben.

Viele der Schwierigkeiten würden "unter der Decke gehalten", da es auf den Dörfern immer noch große Hemmschwellen gäbe, sich Hilfsbedürftigkeit einzugestehen und dann auch Hilfe von außen zu holen. "Es kocht Vieles im Verborgenen", so Westphal. Der Bedarf an Beratung durch die LFB wächst.

Das ist auch die Erfahrung von Weidenhiller. Die Leiterin hat wie ihre sieben Mitstreiter einen landwirtschaftlichen Hintergrund, was bei den Gesprächen von größter Bedeutung sei. "Die Hilfesuchenden fühlen sich durch die Feldkompetenz unserer Berater von ihnen verstanden", erklärte Weidenhiller. Die LFB sei aber auf keinen Fall als Konkurrenz zu anderen Beratungsangeboten zu sehen, sondern als Ergänzung. Außerdem arbeite die Einrichtung überkonfessionell, auch wenn sie eine Tochter der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) in der Diözese Eichstätt ist.

Über 160 Haushalte haben in den vergangenen zwei Jahren die Dienste der LFB in Anspruch genommen – Tendenz steigend. Familiäre Probleme hätten sich in dieser Zeit als Schwerpunkt herauskristallisiert. Kein Wunder, denn in den landwirtschaftlichen Familienbetrieben "müssen die Menschen auf engstem Raum miteinander leben und arbeiten", erläuterte Weidenhiller.

Sie wolle mit ihren Mitstreitern "Hilfe zur Selbsthilfe" anbieten. Und dies in einer Atmosphäre der Wertschätzung. Der moralische Zeigefinger bleibe außen vor, und man hüte sich auch vor direkten Ratschlägen. Denn "auch sie sind Schläge", so Weidenhiller. Sich in die Situation einzufühlen und gemeinsam nach Lösungen suchen: Das ist das Konzept der LFB, die sich keinen leichten Herausforderungen gegenüber sieht.

Zu den familiären Spannungen gesellen sich nicht selten erhebliche wirtschaftliche Probleme bis hin zur Perspektivlosigkeit, die des Öfteren auch im Alkoholismus mündet. Der erste und wichtigste Schritt heraus aus der Misere sei der Anruf bei den Beratungsstellen. So erklärte es Familienberaterin Maria Böhm in Weißenburg. Schnell nämlich könne man in eine Situation kommen, mit der man aus eigenen Kräften nicht mehr zurechtkommt.

Sie schilderte das Beispiel einer Akademikerin, die in eine bäuerliche Familie einheiratete und sich dort schnell isoliert fühlte und nun schwanger ist. In diesem Fall habe sie sich mit der Frau erst einmal an einem neutralen Ort getroffen und dann schrittweise die anderen Beteiligten (Ehemann, Schwiegermutter) mit ins Boot geholt.

Bei der LFB ist Überparteilichkeit Prinzip. Wohl aber werden Konflikte moderiert. "Am gemeinsamen Tische fliegen schon einmal die Fetzen", weiß Familienberater Ludwig Pfaller aus seiner Erfahrung. Er berichtete unter anderem von einem Betrieb, in dem sich der Leiter immer mehr Arbeit aufhalste und Freizeit zum Fremdwort wurde.

Ehe- und Familienleben kamen zu kurz, so dass die Frau des Betriebsleiters sich schließlich an die LFB wandte, der Mann allerdings die Notwendigkeit zunächst nicht einsah. Gemeinsam gelang es, die Organisation des Betriebs so zu verbessern, dass die "erdrückende Last wegfiel", so Pfaller. "Nun will sogar der Mann die Beratungen fortsetzen", zeigte sich Pfaller begeistert.