Ingolstadt
"Es ist eine sehr turbulente Saison"

Bochums Stürmer Lukas Hinterseer freut sich auf Rückkehr in sein "altes Wohnzimmer" in Ingolstadt

02.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:44 Uhr

Stürmer Lukas Hinterseer (links) kehrt mit dem VfL Bochum in sein früheres "Wohnzimmer" zurück. Der ehemalige Ingolstädter, der in dieser Szene von seinem Freund Alfredo Morales verfolgt wird, ist mit sechs Treffern bester Torschütze seiner Mannschaft. Beim 2:0-Hinspielsieg traf der 26-Jährige allerdings nicht. - Foto: Meyer

Ingolstadt/Bochum (DK) Lukas Hinterseer zählte von 2014 bis 2017 zu den Publikumslieblingen beim FC Ingolstadt. Am Montag (20.30 Uhr) kehrt der 26-jährige Stürmer mit seinem jetzigen Klub VfL Bochum in die Schanz zurück. Beide Mannschaften stehen in diesem Duell enorm unter Druck.

Herr Hinterseer, Sie sprachen über den Audi-Sportpark von Ihrem "alten Wohnzimmer". Wie groß ist die Vorfreude auf das Spiel?

Lukas Hinterseer: Riesig. Ich hatte zwei schöne Jahre in Ingolstadt, das dritte war nicht mehr so angenehm. Aber ich habe mich da sehr wohlgefühlt und hatte viele schöne Erlebnisse. Jetzt fahren mein Vater und mein Bruder aus Kitzbühel her. Auch einige Freunde von früher und Fans der Schanzer Rollis kommen, angeblich sogar im Bochum-Trikot. Das motiviert mich natürlich extra.

 

Was ist Ihnen vom FCI besonders in Erinnerung geblieben?

Hinterseer: Natürlich der Aufstieg und das erste Jahr in der Bundesliga. Ich hatte auch das Glück, das erste Bundesliga-Tor in der Geschichte Ingolstadts zu schießen. So etwas bleibt natürlich für immer hängen.

 

Wie ist heute Ihr Kontakt zu den Schanzern?

Hinterseer: Nicht mehr so groß. Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, das verliert sich, wenn man woanders neue Leute kennenlernt. Aber mit Marvin Matip schreibe ich gelegentlich. Und mit Alfredo Morales bin ich gut befreundet. Zusammen mit seiner Familie und der von Mathew Leckie waren wir an Weihnachten in Dubai.

 

Sportlich läuft es bei Ihrem neuen Klub seit Saisonbeginn nicht gut. Was ist in Bochum los?

Hinterseer: Man muss schon ehrlich sagen, dass es eine sehr turbulente Saison ist. Die Erwartungen waren ganz andere, man hat Spieler geholt, um ein Zeichen zu setzen, dass man oben mitspielen will. Dann kam der Trainerrauswurf eine Woche vor dem Start in die Punktrunde. Mittlerweile haben wir den fünften Trainer. Auch der Sportdirektor musste gehen . . .

 

Kennt sich da die Mannschaft überhaupt noch aus?

Hinterseer: Normalerweise dürfte uns das nicht zu sehr beeinflussen, aber wenn man dann ein paar schlechte Ergebnisse einfährt, kommt man in einen gewissen Strudel rein. Spielerisch machen wir es ganz ordentlich, aber wir können das nicht in Tore ummünzen. Daran müssen wir arbeiten.

 

Seit zwei Spielen ist Robin Dutt neuer Chefcoach. Was hat er verändert?

Hinterseer: Wir stecken mitten in der Rückrunde und im Abstiegskampf. Da kann der Trainer jetzt keine neue Philosophie reinbringen. Er hat gesagt, dass er ein einfaches und klares System mit zwei, drei Hauptpunkten einstudieren will. Nach vier Trainern hat man versucht, so viele Spielphilosophien zu verinnerlichen, dass er es jetzt so einfach wie möglich halten will. Das hat ganz gut funktioniert. Das Problem ist nur das gleiche wie zuvor: Gegen Heidenheim (0:1) und Nürnberg (0:0) haben wir gute Spiele gemacht, aber kein Tor geschossen. Beziehungsweise wurde mir meines gegen Heidenheim aberkannt.

 

Sie sprechen die Sturmmisere bereits an. Bochum hat in 24 Spielen nur 20 Tore erzielt. Zudem ist in der Winterpause mit dem ehemaligen Kapitän Felix Bastians ein vierfacher Torschütze nach China gewechselt. Wie kann es besser werden?

Hinterseer: Es gibt immer Phasen, in denen man das leere Tor aus fünf Metern nicht trifft, und dann wiederum fällt einem der Ball vor die Füße und man schießt auf einmal einige Tore hintereinander und weiß manchmal gar nicht wie. Das war bei mir ja in Ingolstadt auch schon der Fall. Man kann einfach nur versuchen, im Training zu arbeiten und sich zu verbessern. Natürlich helfen Erfolgserlebnisse so wie für mich mit dem Tor in Darmstadt. Das gibt einen positiven Schub. An Chancen mangelt es nicht. Wir sind die Mannschaft, die die meisten hochkarätigen Chancen vergibt. Deswegen müssen wir einfach weitermachen und uns gar nicht so sehr mit den negativen Dingen beschäftigen.

 

Sie sind mit sechs Treffern bester Torschütze und haben dadurch Ihrem Team direkt acht Punkte beschert. Zufrieden?

Hinterseer: Mir fallen da schon einige Situationen ein, in denen ich klare Chancen verpasst habe. Zufrieden bin ich deswegen nicht. Ich will mich weiter verbessern.

 

Wie sieht Ihre Rolle in Bochum aus?

Hinterseer: In Ingolstadt habe ich oft rechts gespielt. In Bochum gibt mir der Trainer viele Freiheiten. Ich bin ein Stürmer, der gerne am Spiel beteiligt ist und nicht nur vorne auf die Bälle wartet. Aber natürlich bin ich auch der Erste, der den Strafraum besetzen soll, sobald es gefährlich wird.

 

Das ursprüngliche Ziel hieß: oben mitspielen. Jetzt stecken Sie im Abstiegskampf. Wie prekär ist die Situation?

Hinterseer: Es sind noch zehn Spiele, wir stehen einen Rang vor dem Relegationsplatz. Jetzt muss man sich in jedem Spiel aufs Neue fokussieren. Wenn man die Liga ansieht, gibt es vor keinem Spiel einen klaren Favoriten. Selbst Düsseldorf verliert als Spitzenmannschaft nach einer 3:0-Führung in Regensburg noch mit 3:4. In keiner anderen Liga wäre das möglich, aber die 2. Bundesliga ist eben so ausgeglichen. Deswegen darf man sich von nichts anderem beeinflussen lassen und muss einfach die Punkte einfahren.

 

Wie will der VfL am Montag den FCI knacken?

Hinterseer: Das wird uns der Trainer sagen. Wir haben das Hinspiel relativ souverän mit 2:0 gewonnen. Das wollen die Ingolstädter sicher wiedergutmachen. Ich weiß, dass die Schanzer Jungs voll motiviert sind. Wir müssen dagegenhalten und versuchen, unser Spiel durchzubringen.

 

Sind Sie überrascht, dass sich der FC Ingolstadt als Bundesliga-Absteiger so schwertut?

Hinterseer: Nein, wie gesagt, es gibt kein Spiel, in dem die Favoritenrolle klar verteilt ist. Es entscheiden oft Kleinigkeiten oder die Standards. Man kann 70, 80 Minuten kein Tor bekommen, und dann gibt es eine Ecke, und der Gegner führt 1:0. Man muss in der zweiten Liga einfach schauen, dass man die Punkte holt.

 

Sie haben in Bochum einen Vertrag bis 2019. Wie geht es für Sie weiter?

Hinterseer: Wir schauen mal, dass wir die Saison gut überstehen, das andere wird von selbst kommen. Mal sehen, was passiert.

 

Das Interview führte

Gottfried Sterner.

 

NICHT GESUCHT, ABER GEFUNDEN


Ein Schanzer freut sich ganz besonders auf das Wiedersehen mit Lukas Hinterseer: Alfredo Morales. „Wir haben uns von Anfang an beim FCI gut verstanden und waren sehr eng miteinander. Es passiert ab und zu, dass man einen Mitspieler nicht nur als Kollegen sieht, sondern als guten Freund. Auch unsere Frauen sind auf einer Wellenlänge“, erzählt der 27-Jährige, der mit seinem Spezi aus Kitzbühel schon den Sommerurlaub plant.
Den Grund für die Freundschaft sieht Morales im Naturell des Österreichers. „Man kennt ihn ja. Er ist immer freundlich und gut gelaunt, und auch sehr zuvorkommend. Meine Jungs waren sofort von ihm begeistert, die lieben den auch“, sagt der Berliner über seine Söhne Emilio (6) und Eliano (2).

Darum will Morales auch nicht davon reden, dass die Freundschaft während der 90 Minuten ruht. „Das ist Quatsch, das sind doch Phrasen. Wir wollen beide unser Bestes geben und gewinnen. Das ist unser Job, fertig“, sagt der FCI-Mittelfeldspieler, der dann aber noch eine kleine Kampfansage an seinen Kumpel los wird: „Zum Kopfball braucht er nicht hochgehen gegen mich, da bekommt er keinen Stich.“ Dabei ist Morales neun Zentimeter kleiner als der 1,92 Meter große Hinterseer.

Am Ende geht es am Montagabend für beide aber nicht um ein persönliches Duell, sondern um den Erfolg mit der Mannschaft. „Wir hatten viele richtungsweisende Spiele, aber die Ergebnisse waren nicht gut. Aber wir dürfen jetzt nicht hadern, sondern müssen voll da sein und vor unseren Fans etwas zeigen“, sagt Morales, der sich als Führungsspieler sieht und vorangehen will. „Ich habe in dieser Saison ein ganz anderes Selbstvertrauen und will die Mannschaft mitziehen. Aber jeder muss selbst abliefern, und dann pusht man das ganze Team. Das kann schon dadurch sein, dass man mal einen Ball ins Aus grätscht oder auch einen Mitspieler aufmuntert, wenn mal etwas misslingt. Wir brauchen einfach mehr Emotionen“, fordert Morales.