Spa
"Es ist ein Privileg, Audi-Pilot zu sein"

Rennfahrer Andre Lotterer ist beim zweiten Lauf der Sportwagen-WM im belgischen Spa am Start

04.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:31 Uhr

Debütiert in Spa mit den Le-Mans-Siegern von 2011 am Steuer: der R18 e-tron quattro, der Hybridrennwagen von Audi.

Spa/Belgien (DK) Der Audi R18 e-tron quattro feiert beim zweiten Lauf der Sportwagen-Weltmeisterschaft Premiere. Das Rennen im belgischen Spa ist aber auch die Generalprobe für das 24-Stunden-Rennen in Le Mans, wo Audi im Juni als erster Hersteller mit einem Hybrid-Rennwagen gewinnen will. Einer der zwölf Piloten in Spa ist Andre Lotterer (kleines Foto), Le-Mans-Gewinner 2011. Im Gespräch mit unserem Reakteur Oliver Konze erzählt der 30-Jährige über seinen Bekanntheitsgrad, seinen Wohnort Tokio und die Chancen von Audi in Spa.

Hallo Herr Lotterer, können Sie sich vorstellen, dass Sie in Deutschland und Europa kaum jemand kennt?

Andre Lotterer: Ja, ich hoffe, dass es besser wird. Aber ich war die letzten Jahre in Japan unterwegs. Da kommen die Motorsport-Nachrichten nicht so stark nach Deutschland.

Das bedeutet aber auch, dass Sie sich als Le-Mans-Sieger von 2011 in Deutschland fast unerkannt bewegen können.

Lotterer: Das stimmt. Aber ich glaube, dass sich auch Tom Kristensen nach acht Le-Mans-Siegen noch relativ ruhig bewegen kann. Wir sind nicht so prominent wie die Fahrer in der Formel 1.

Sie fahren seit 2003 jedes Jahr in Japan die Formel Nippon, dazu die GT-Meisterschaft.

Lotterer: Das war bis 2011 der Fall. Dieses Jahr wollte ich mich mehr auf das Programm mit Audi konzentrieren. Aber dann habe ich es mir doch anders überlegt. Die sieben Rennen der Formel Nippon kollidiert mit keinem Audi-Termin und ich habe die Möglichkeit, gut in Form zu bleiben und ein noch besserer Fahrer zu werden.

Sie wohnen in Tokio, nach Fukushima sind es nur 300 Kilometer. Haben Sie damit kein Problem?

Lotterer: Tokio ist nicht in Gefahr, auch wenn Fukushima natürlich ein Thema ist. Ich bin aber auch viel unterwegs. Ich versuche auch, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und negative Gedanken von mir fernzuhalten.

Sprechen Sie japanisch?

Lotterer: Ein paar Wörter. Komplette Sätze sind schwieriger.

Und schreiben?

Lotterer: Nur meinen Namen. Weil es so schwierig ist, Japanisch zu lesen, ist es auch schwierig, die Sprache besser zu lernen.

An diesem Wochenende fahren Sie zusammen mit Ihren Le-Mans-Teamkollegen von 2011, Benoît Tréluyer und Marcel Fässler, beim zweiten Lauf zur neuen Sportwagen-Weltmeisterschaft. Wie lief es im ersten Training?

Lotterer: Die Ergebnisse waren sehr gut. Alle Audi lagen vorne. Es gab keine Probleme, das Rennen ist ja die Generalprobe für Le Mans.

Sie haben die Ehre, den Hybrid-R18 zu fahren. Was zeichnet den e-tron quattro aus?

Lotterer: Hauptthema ist das Hybridsystem. Das Besondere daran: Es ist ein quattro. Die Energie, die wir beim Bremsen oder Gaswegnehmen aufladen, können wir auf die Vorderachse schicken und damit besser beschleunigen.

Zum Vorteil der Performance?

Lotterer: Jeder weiß, dass ein Allradauto eine bessere Straßenlage hat. Das gab’s bei Sportwagen noch nie. Es ist ein Privileg für mich als Rennfahrer, an so einem Projekt teilzunehmen.

Wie fährt sich der Hybrid im Vergleich zum normalen R18.

Lotterer: Im Prinzip sehr ähnlich. Ab 120 km/h darf man dann mit dem Hybridsystem beschleunigen. Da spürt man an der Vorderachse schon einen Zug.

Toyota fehlt in Spa – ist das ein Nachteil für die Audi-Fahrer, die den Hybrid-Toyota nun das erste Mal beim Pre-Test in Le Mans sehen werden?

Lotterer: Nachteil ist es keiner. Es ist schade – für den ganzen Motorsport. Natürlich hätte man sie gerne dabeigehabt. Wir wissen ja seit dem vergangenen Jahr, wie spannend ein Rennen sein kann, wenn Gegner auf Augenhöhe aufeinandertreffen. Ich bin mir aber sicher, dass es in Le Mans trotzdem ein interessantes Rennen wird.

Sie haben in Le Mans einmal gewonnen. Ihr Teamkollege Kristensen achtmal. Wünschen Sie sich ähnlich viele Siege?

Lotterer: Das wünscht sich jeder. Aber ich weiß nicht, ob das jemals ein anderer Fahrer schaffen wird. Ich bin glücklich, dass ich es schon einmal geschafft habe. Aber im Audi-Team bin ich in der Liste der Sieger noch ganz schön weit unten.

Sie könnten Geschichte schreiben, wenn Sie im Juni im Hybrid-R18 Le Mans gewinnen.

Lotterer: Es wäre eine schöne Sache, wenn Audi, das im Motorsport schon so oft Geschichte geschrieben hat, mit dem Hybrid gewinnt. Noch schöner, wenn ich in diesem Auto säße.

Was haben Sie denn für motorsportliche Ziele für die Zukunft?

Lotterer: Man kann es sich nicht immer aussuchen. Ich wollte ja in der Formel 1 fahren und es hätte mit Jaguar fast funktioniert. Aber bevor ich in der Formel 1 hinterherfahre, fahre ich lieber in einem Sportwagen. Und Audi betreibt seit Jahren Motorsport auf höchstem Niveau. Da empfinde ich es als Privileg, Audi-Pilot zu sein. Ich möchte Rennen gewinnen. Die Möglichkeit habe ich bei Audi.

Zurück zu Spa: Audi ist beim WEC-Lauf in Belgien am Sonntag doch nicht zu schlagen, oder?

Lotterer: Das sagt man so einfach. Aber im Motorsport kann so viel passieren. Wir sind natürlich gut aufgestellt, aber selbstverständlich ist ein Sieg auch für Audi nicht.