"Es ist der Sound meiner Heimat"

Die Künstlerin Bettina Krugsperger liebt den Dialekt, denn auf Bairisch schimpft es sich besonders gut

20.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:01 Uhr
Auf Bairisch schimpft es sich nicht nur besonders gut, man kann aus den Dialektwörtern auch kleine Kunstwerke schaffen. Für Bettina Krugsperger gehören Heimatliebe und Dialekt zusammen. Klingt "schiach" nicht netter als "potthässlich" und "Nosnwuckl" vertretbarer als "Popel"? Auch "Buzal" drückt für die Künstlerin mehr aus als "Neugeborenes". −Foto: privat

Diese Zeilen werden eine Liebeserklärung.

Meine Liebeserklärung. Eine Liebeserklärung an die Sprache, an die Musik und das, was - für mein Dafürhalten - genau dazwischen liegt: den Dialekt. Er klingt, er groovt, er geht direkt in den Bauch. Es ist wie mit den meist englischsprachigen Songs aus meiner Kindheit und Jugend: Ich verstand so vieles nicht. Und dann eben doch, aber auf einer anderen als der Verstandesebene. Wenn "säimois" gefragt wurde, warum ich denn "scho wieda so dramhappad aufm Kanapä umanandaflagg" wusste ich, um was es ging und - wenn ich nicht sofort aufstehen würde - "wo da Bartl sein Most hoid". Oder wenn es um die Nachbarin ging, "des Flidschal, des scho wieda a neis Gspusi hod, obwoi d'Bettdeckn vom oidn Tschamsdara no warm is. " Oder de "Stodara und
Preißn, de moana, dass d'Weisheit mit de Leffen gfressn hom. De Bixlmadams und Gscheidhafal, de elendign". Damals wurde mir schon klar, dass unser Dialekt - übrigens heute einer der beliebtesten in Deutschland - die Möglichkeiten der Grobheit vollständig ausschöpfte. Die Art der Darbietung unterstrich das Gesagte, sie kohärierten perfekt und ergaben das, was eine Freundin kürzlich treffend mit "dörfliche Brutalität" bezeichnete.

Uns Hiesigen (ich komme aus Hepberg) war damals klar, dass, wer den "Oachkatzlschwoaf-Code" beherrschte, dazugehörte. Dahoam war dahoam. Draußen, also "in da Stod oder in da Schui" war es hingegen wichtig, so wenig wie möglich bairisch zu sprechen. Weil: Bairisch redeten damals die "Dorfdeppen". Nur und einzig des Dialektes mächtig zu sein, bedeutete "Bamschui", "Landpomaranzn", "Hintawäidler". Zu Hause redeten wir also bairisch, in der Schule hochdeutsch. Daheim waren die "Zuagroasten" allesamt "Saupreißn". In der Schule wagten wir es, den einzigen Auswärtigen - und damit Evangelischen - auf Hochdeutsch anzusprechen und "dagneißten", dass der "Preißn-Bangad" eigentlich ganz nett und durchaus "wief" war. Auch, wenn er nicht "gscheid" reden konnte und ans Falsche glaubte.

Einerseits einte uns der Dialekt, wir verstanden uns ja alle prächtig. Andererseits spaltete er uns ab. Alles Nichtbayerische war erstmal suspekt, umso mehr, je gebildeter und "gstudierter" es wurde.
Heute ist Dialekt en vogue. Vor allem unserer. Wir sind - wenn wir ihn trotz frühkindlicher Dialektbereinigung dennoch beherrschen - up to date. Wir sind sogar so stolz auf unseren Dialekt, dass wir Flüche und Schimpfwörter (meist in gebrochener Schrift) auf T-Shirts gedruckt spazieren tragen. Wir brauchen die "Danamelungen" nicht mehr auszusprechen, ein Blick auf's Shirt genügt und wir sind uns einig, was gemeint ist. Und der Klassenfeind, "da Preiß", liebt uns genau für unseren Dialekt und unsere Heimatliebe. Das geht so weit, dass er hochassimilierungsmotiviert Lederhosen trägt und bereitwillig unser Bayern-Merchandising kauft und dabei interessiert fragt: "Oh, das klingt ja putzig, was ist denn eine ?Quadratratschn'? " Oder - "herrlich - was bedeutet denn ,Noudniagl'? " Oder - "ganz süß . . . ?Muhackl'! "

Wir sind also angekommen bei uns, auch, indem wir weg und damit selbst einmal irgendwo fremd waren. Und dort vielleicht sogar (Achtung "Gscheidhafal") studiert haben. Unsere anfangs wochenendlichen Besuche zu Hause wurden begleitet von Aussagen wie "do kummt's wieder, unsa Gstudierde, unsa Gscheidal", "boid konns koan Arbeidaschoaß mehr schmecka".

Diese Phase ist überwunden und dank des Imagewandels des Bayerischen und unseres eigenen Aufenthalts in der Fremde stehen wir heute zu uns, zu unserer Heimat und unserem Dialekt - trotz Studium und obwohl wir den "Arbeidaschoaß" nicht riechen möchten. "Uns graust's nämlich ned vor gor nix", vor allem wenn es zu "oraidig" wird.

Wieviel mir mein Dialekt persönlich bedeutet, habe ich erst verstanden, als ich ihn nicht mehr um mich hatte. Ich vermisste ihn. In all seiner einengenden Art und trotz seines Ausgrenzungspotenzials. So ist das in der Liebe, sie ist irrational und verzeiht. Und hält sich an das Gute.

Ja, auf Bairisch schimpft es sich besonders gut, und dank großem Begriffsrepertoire nuancenreich. Vom "Suckl" oder "Fackl" über "d' Sau" steigert es sich halt von der "blöden Sau" hoch zur "oidn Wuidsau". Und vom "saxndi" oder "sacklzement" über "gruzefünfal" und "bluadsakrament" weiter zu "kreizkruzefix ober a". Und irgendwie klingt "schiach" halt trotzdem netter als "potthässlich". Und "Boinbruada" nicht ganz so schlimm wie "Angsthase". Und "Nosnwuckl" vertretbarer als "Popel". Oder?

Es ist der Klang, der Rhythmus, die Musik unseres Dialektes, die es für mich ausmachen. Drückt nicht "Buzal" mehr aus als "Neugeborenes", "Schnackla" nicht mehr als "Schluckauf", "vahuanogld" als "verunstaltet"? Es ist die vertraute Färbung, die man auf der ganzen Welt im Schlaf erkennen würde,
konnotiert mit den Erinnerungen an die vielen Erlebnisse in Hepberg, in und rund um Ingolstadt. Es ist der Groove der Kindheit und Jugend, es ist der Sound meiner Heimat.

ZUR PERSON

Bettina Krugsperger wurde 1972 in Kösching geboren. Sie besuchte die Grundschule in Hepberg und später die Gnadenthal-Mädchenrealschule Ingolstadt. Danach machte sie eine Ausbildung zur Sekretärin und arbeitete bei Audi. An der Fachoberschule für Gestaltung in Augsburg machte sie über den zweiten Bildungsweg ihr Fachabitur im Bereich Kommunikationsdesign. Dann absolvierte sie an der Fachhochschule Augsburg ein Masterstudium in Design- und Kommunikationsstrategie. Krugsperger lebte auch in der Schweiz, bekam aber Heimweh und kehrte nach Hepberg zurück. Dort arbeitet sie als Designerin, Künstlerin und Musikerin. Sie ist Mutter von drei Kindern.

DK



In der Serie "Liebeserklärung" erzählen Persönlichkeiten unserer Region, was ihnen in ihrem Leben besonders viel bedeutet.