"Es hat uns schon wieder erwischt"

15.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:51 Uhr

Wenige Meter neben der Unfallstelle erinnert ein Holzkreuz an die beiden ums Leben gekommenen Piloten. - Foto: Peterhans

Neuburg/Tegernbach (PK) Den 16. Juli 1985 wird Hopfenbauer Georg Felber (75) sein Leben lang nicht vergessen. Es war gegen 17.05 Uhr als nur 400 Meter entfernt von seinem Hof in Grünberg zwischen Rudelzhausen und Tegernbach (Kreis Freising) ein Düsenjäger in ein Maisfeld einschlug. Die Maschine des Typs Phantom II F-4F brannte völlig aus, die beiden Piloten kamen bei dem Unglück ums Leben. Nur kurz zuvor hatten Frau und Tochter noch direkt neben der Unfallstelle im Hopfen gearbeitet.

Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere. Es war Dienstagnachmittag und Georg Felber war mit Reparaturarbeiten in seiner Werkstatt beschäftigt, seine Frau Maria bügelte gemeinsam mit der damals 15-jährigen Tochter Christa in der großen Wohnküche die Wäsche. Wie so oft übten Flieger des Jagdgeschwaders über ihnen. "Dann hab’ ich einen Schepperer gehört – eine scharfe Detonation", erinnert sich Felber.
 

Der damals 50-Jährige läuft in den Hof, dort trifft er auf Frau und Tochter. "Da ist einer abgestürzt", ruft Maria, die das Szenario durch das Küchenfenster beobachtet hatte. Die Augen des Hopfenbauers suchen derweil voller Sorge den Himmel ab. "Als ich keinen Fallschirm gesehen hab’, wusste ich sofort, die Piloten sind nicht mehr rausgekommen." Der Hopfenbauer sollte recht behalten.

Aus dem Maisfeld steigen Rauchwolken auf. Felber läuft ins Haus und alarmiert die Polizei. Dann setzt er sich mit seiner Tochter auf den Bulldog und fährt los. Sie sind als erste an der Unfallstelle, der Flieger brennt jetzt lichterloh. "25 Meter hoch waren die Flammen", erzählt der Augenzeuge. In dem Inferno explodieren noch hunderte Schuss Munition aus der Bordkanone. Das Geräusch hat Felber heute noch in den Ohren: "Immer wieder gab es diese kleinen Patscher."

Viel sei von der Phantom nicht übriggeblieben, sagt Felber. Nur die beiden Triebwerke und das hintere Leitwerk seien noch als solche erkennen zu gewesen. Etwa zehn Minuten nach seiner Ankunft seien dann die Rettungskräfte eingetroffen und hätten die Unfallstelle abgesperrt.

Wie sich später herausstellte war das Unglück im Rahmen einer Übung passiert. Um 16.53 Uhr starteten in Neuburg zwei Maschinen des Typ Phantom zu einer übungsmäßigen Abfangjagd. Diese sollten einen Angriff auf eine F-104 Starfighter simulieren. Im Laufe dieses Manövers habe die Phantom im Sturzflug die Flugbahn des Starfighters gekreuzt und danach nicht mehr hochgezogen.

Die Übung im Sommer 1985 kostete den Piloten, Major Helmar Wallrath (41) und Hauptmann Matthias Heichele (30) auf dem Sitz des Waffensystemoffiziers, das Leben. Wallrath war vier Jahre lang als Fluglehrer in Texas tätig gewesen und galt mit über 1000 Flugstunden auf der Phantom als einer der erfahrensten Piloten. Heichele hatte nur einen Tag vor dem tödlichen Absturz seinen 30. Geburtstag gefeiert.

Große Trauer herrschte nach dem Unglück beim Neuburger Jagdgeschwader 74. "Es hat uns schon wieder erwischt", sagte damals Oberstleutnant Helmut Ruppert vom Neuburger Jagdgeschwader gegenüber den Medien. Eigentlich sei es ein ganz normaler Übungsflug gewesen. Nur vier Monate zuvor war eine Phantom auf dem Flughafen Bordeaux-Marignac abgestürzt, auch hier waren die beiden Piloten ums Leben gekommen.

Nach dem Unglück kursieren in den umliegenden Ortschaften die wildesten Gerüchte: Manche wollen gesehen haben, wie die Piloten Leuchtkugeln abschossen, andere behaupten die Flugzeuge hätten sich berührt, wiederum andere meinten, die Maschine hätte bereits in der Luft gebrannt. Angeblich hätte der Pilot auch noch einmal hochgezogen um die Ortschaft Tegernbach vor einer Katastrophe zu bewahren – diese Behauptung wurde in Zeitungsberichten vom damalige Kommodore Günter Lange dementiert: "Hätte der Pilot bewusst hochziehen können, wäre er nicht abgestürzt."

Noch im Jahr des Absturzes errichtete die Reservistenkameradschaft Rudelzhausen am Feldrand nur wenige Meter neben der Absturzstelle eine kleine Gedenkstätte für die beiden toten Flieger. Felbers Spezl, der 69-jährige Josef Krojer kümmert sich seitdem um das Kreuz, dessen Sockel er selbst betoniert und anschließend gefließt hat, "damit’s schöner ausschaut."

Am morgigen Samstag wird es einen Gedenkgottesdienst für die verstorbenen Piloten geben, auch das Denkmal nahe der Unfallstelle soll noch einmal besucht werden.