"Es greift zu kurz, Trump als Clown abzustempeln"

Elfriede Fürsich, Professorin in Pittsburgh, über die US-Medien und den neuen Trend zur Lokalberichterstattung

03.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:56 Uhr
−Foto: Auer

Frau Fürsich, Sie stammen aus Bayern und unterrichten in den USA, in der ehemaligen Stahlstadt Pittsburgh, heute ein wichtiger Technologie-Standort, Kommunikationswissenschaft. Wie kommen Ihre Kurse beim Journalistennachwuchs im Trump-Land an?

Elfriede Fürsich: Ich hatte Bedenken, als ich an die University of Pittsburgh gekommen bin. Denn zu meinen Kursen gehört auch Medienkritik. Ich hatte Bedenken, dass sich meine Studenten gegen mich wenden würden.

So unter dem Motto: Jetzt kommt die aus Europa, und erklärt uns, was wir in den USA falsch machen.

Fürsich: So ungefähr. Aber genau das ist nicht passiert. Viele meiner Studenten sind aus Pennsylvania selbst, aus Ohio oder Kentucky. Und oft sagen die mir: ,Ich komme aus diesem oder jenem rassistischen Dorf, und ich brauche endlich mal Argumente für eine progressive Politik, die ich denen entgegensetzen kann.

Wie hat sich der Journalismus in den USA verändert? Ist er unversöhnlicher geworden?

Fürsich: Er war schon vor Trump sehr gespalten, sehr aggressiv und sehr sensationalistisch. Diese Art von Journalismus war die Plattform, um Trump als Präsident durchzusetzen. Was man nicht unterschätzen darf, ist aber der Internet-Effekt. Nur so konnten plötzlich kleinste Gruppen oder Plattformen wie "Breitbart" so wichtig werden.

Was bringen Sie Ihren Studentinnen und Studenten in Pittsburgh bei? Sprechen Sie über Trumps Politik, sprechen Sie zum Beispiel über "Fake News"?

Fürsich: Ja. Ich habe meine Kurse ganz stark dem Thema angepasst, weil es viel Erklärungsbedarf gab - das kam von meinen Studenten.

Wie verändert sich die Medienlandschaft in den USA, wenn das Internet eine immer stärkere Rolle spielt?

Fürsich: Die größte Bedrohung ist die schlechte finanzielle Situation der Medien. Das betrifft verschiedene Zeitungen und Verlage, aber auch das Fernsehen. Auch das ist einer der Gründe, warum die Berichterstattung in den Medien oft so hysterisch ist.

Glauben Sie, dass unsere deutsche Berichterstattung die Situation in den USA, speziell über Donald Trump, angemessen widerspiegelt?

Fürsich: Ich habe den Eindruck, dass in Deutschland gut und sehr ausführlich über Donald Trump berichtet wird. Aber es wird wenig versucht, zu erklären, warum es so viele Amerikaner gibt, die auf der Seite von Donald Trump sind.

Es reicht also nicht, ihn als Clown abzustempeln, wie es so oft geschieht?

Fürsich: Nein, das greift zu kurz. Das haben auch die amerikanischen Medien gemerkt. Man hat festgestellt, dass in vielen Bereichen der USA, in den Hochburgen der Trump-Wähler, lange Zeit gar keine Medienarbeit mehr stattgefunden hat. Die Leute fanden sich abgehängt von der Öffentlichkeit. Jetzt auf einmal stellen US-Medien fest: Wir bräuchten zum Beispiel mal wieder einen Korrespondenten in Ohio oder Kentucky. Es gibt jetzt eine echte Bewegung zur Stützung der lokalen Medien. Man will den Leuten zeigen: Ihr seid auch wichtig!

Das Interview führte Richard Auer.
ZUR PERSONElfriede Fürsich, 51, aufgewachsen in Neumarkt i. d. Opf, studierte Diplom-Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt. Danach ging sie zur Promotion in die USA und war Professorin für Kommunikationswissenschaft am Boston College. Danach folgten acht Jahre Gastprofessuren in Berlin und Hamburg. Seit genau einem Jahr lebt sie wieder in den USA, in Pittsburgh im Bundesstaat Pennsylvania, wo sie als Gastprofessorin Kurse zu Medienglobalisierung und Medienkritik hält. Elfriede Fürsich ist verheiratet und hat einen 15-jährigen Sohn.