Ingolstadt
"Es gibt zu viele Banken"

Wirtschaftsexperte Thomas Mählmann von der KU Eichstätt-Ingolstadt über die Fusionen von Geldinstituten

18.02.2022 | Stand 21.02.2022, 3:34 Uhr
Die Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse in Ingolstadt von der Schutterstraße aus gesehen. Dort sitzt auch der Vorstand des Kreditinstituts, das sich mit Fusionsabsichten trägt. −Foto: Hammer

Ingolstadt/Eichstätt/Roth - Die angedachte Fusion zwischen den Sparkassen Ingolstadt-Eichstätt und Mittelfranken-Süd, die unsere Zeitung Anfang der Woche publik gemacht hat, wird viel diskutiert.

Thomas Mählmann, Professor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Uni Eichstätt-Ingolstadt, ordnet im Gespräch solche Arten der Zusammenschlüsse ein.

Herr Professor Mählmann, nach der Fusion der Sparkassen Ingolstadt und Eichstätt soll nun auch die Sparkasse Mittelfranken Süd mit ins Boot geholt werden. Braucht es das?
Thomas Mählmann: Wir beobachten seit Jahren einen Konsolidierungsprozess in allen drei Säulen des deutschen Bankensystems: bei Privatbanken, bei Sparkassen, bei Genossenschaftsbanken. Die Gründe sind klassisch: Es gibt hierzulande zu viele Banken, zu viele Filialen, intensiven Wettbewerb. Jetzt kommen auch noch "FinTechs" hinzu, also Firmen, die keine Banken im eigentlichen Sinn sind, aber mit Hilfe von moderner Digitaltechnik bestimmte Finanzdienstleistungen anbieten. Im Vergleich zum europäischen Ausland ist Deutschland "overbanked", es gibt zu viele Banken. Was für Bankkunden noch von Vorteil ist, ist für die Kapitalgeber, also für die Banken und ihre Betreiber, eher negativ. Die Personal- und Betriebskosten sind relativ hoch, durch Mehrfachstrukturen entstehen Ineffizienzen. Daher sind Konsolidierungen zwangsläufig und können auch vor Sparkassen nicht halt machen.

Nun lassen sich aber weltweit agierende klassische Geschäftsbanken auf der einen und Sparkassen und Genossenschaftsbanken auf der anderen Seite nur bedingt vergleichen. Letztere werden von regionalen Gebietskörperschaften getragen und gestützt und haben den Auftrag der Grundversorgung vor Ort, wozu sicher auch später gefeierte Start-Ups zählen - was Geschäftsbanken weder leisten können noch wollen.
Mählmann: Falls Sparkassen quasi nebenher noch einen strukturpolitischen Auftrag haben sollten, setzt dies aber zumindest voraus, dass sie wirtschaftlich überlebensfähig sind. Interessant in diesem Zusammenhang ist sicher auch die Frage, wie viele Steuermittel schon in das Überleben regionaler Sparkassen und ihre Landesbanken gesteckt wurden. Meine Meinung ist da klar: Ohne die regionalen Rahmenbedingungen in Ingolstadt, Eichstätt und Mittelfranken-Süd bis ins Detail zu kennen, sind Sparkassenfusionen aus Sicht des Steuerzahlers, der sein Konto bei einer Onlinebank hat und seit Jahren keine Filiale mehr von innen betreten hat, eher "good news"!

Dennoch: Selbst wenn 15 oder 20 Sparkassen fusionieren, wird das Gebilde nie eine Größe erreichen, die eine Konkurrenz zu einer Unicredit oder Barclays Bank möglich macht. Läutet es dann nicht das Ende des deutschen kommunalen und genossenschaftlichen Bankwesens ein, wenn wir hier nur die marktwirtschaftliche Seite betrachten?
Mählmann: Das ist letztendlich eine politische Frage, die vermag ich nicht zu beantworten. Ich kann nur die Hintergründe erklären: Meiner Ansicht nach haben die Sparkassen - wie übrigens alle deutschen Banken - ein Problem mit ihrem Geschäftsmodell. Nur auf das Kredit- und Einlagengeschäft und auf die Anlageberatung zu setzen, ist nicht mehr konkurrenzfähig. Die sogenannte "Cost-Income-Ratio", das Verhältnis von Kosten und Gewinn, ist viel zu hoch. Gute Gewinne kann man im Investmentgeschäft machen - aber da ist das Risiko auch ungleich höher. So scheut man in Deutschland den Wechsel zu neuen Geschäftsmodellen und verschafft sich stattdessen Zeit, indem man erstmal - auch politisch gewollt - den Weg der Kostenreduzierung durch Fusionen geht.

Aber nochmal: Muss denn eine Sparkasse große Gewinne abwerfen? Das muss sie doch gar nicht. Hauptsache, sie versorgt die Menschen vor Ort.
Mählmann: Aber was ist, wenn sie Verluste macht? Der Politik muss eins klar sein: Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken bieten einen Service, der auf die Nähe zu den Menschen vor Ort setzt. Das ist aber teurer, als wenn ich irgendwo ein Call-Center betreibe. Wenn die Menschen bereit sind, für diesen Service mehr zu bezahlen, ist das ok. Wenn aber eine Generation heranwächst, die mit Handy und Laptop sozialisiert ist und die sagt: Ich mache meine Bankgeschäfte im Internet, ich nehme das günstigste Angebot und nicht das nächste - dann wird es schwierig. Dann müsste die Politik sagen: Ich will diese Nähe und Kontrolle trotzdem erhalten und gleiche daher die Verluste aus. Das würde wiederum der Steuerzahler bezahlen. Und da sollte man vielleicht nicht vergessen, wie viele Milliarden der Steuerzahler bereits nach der Finanzkrise 2009/2010 für die Rettung der Landesbanken bezahlt hat.

Und wo könnte Ihrer Meinung nach eine Lösung der Probleme liegen?
Mählmann: Ehrlich gesagt: Das ist nicht einfach. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken müssten ihre Geschäftsmodelle ändern. Sie machen das auch teilweise schon, positionieren sich zum Beispiel auch verstärkt als Online-Banken. Aber der Markt ist eng. Die Commerzbank zum Beispiel ändert bei jedem Vorstandswechsel ihr Geschäftsmodell - einmal ist sie die "Mittelstandsbank", einmal die "Digitalbank" und so weiter. Zum durchschlagenden Erfolg hat das bislang noch nicht geführt.

DK

Das Gespräch führte Markus Schwarz

.

ZUR PERSON

Thomas Mählmann ist Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Banken an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Einer der Forschungsschwerpunkte Mählmanns ist die Bankenregulatorik.