Ingolstadt
"Es gibt nichts zu feiern"

Auch die Schanzer diskutieren über Donald Trumps Amtsantritt als amerikanischer Präsident heute wird er vereidigt

19.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr
Kommunikation ist alles: 2015 chattete Oberbürgermeister Christian Lösel im Biergarten mit Facebook-Nutzern. −Foto: Eberl (Archivfoto)

Ingolstadt (DK) Es wird ernst: Heute um 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit legt Donald Trump vor dem Kapitol in Washington, D.C. den Amtseid ab. Auch viele Ingolstädter verfolgen dieses Ereignis gespannt. Wie sich Trump als US-Präsident machen wird, darüber sind sich die Schanzer jedoch uneins.

Glaubt man einer jüngst veröffentlichten Forsa-Umfrage, die das Magazin "Stern" in Auftrag gegeben hat, halten 84 Prozent der Deutschen Donald Trump als neuen US-Präsidenten für ungeeignet. Das überrascht in Anbetracht seiner Aussagen, die am Montag in einem Zeitungsinterview veröffentlicht wurden, recht wenig. Kurz vor seinem Amtsantritt hatte der designierte US-Präsident nämlich noch einmal zu einem Rundumschlag ausgeholt: Die Asylpolitik Angela Merkels schätzt er als "katastrophalen Fehler" ein, die Nato hält er für "obsolet" und den deutschen Autobauern droht er mit saftigen Strafzöllen.

Auch in Ingolstadt ist Trumps Amtsantritt ein viel diskutiertes Thema. Hört man sich bei den Schanzern um, zeigt sich eines sehr deutlich: Der künftige US-Präsident polarisiert.

Für die Ingolstädter VHS-Dozentin Susan Talke, gebürtige Amerikanerin und überzeugte Demokratin, ist der 20. Januar kein Freudentag: "Trumps Amtsantritt werden wir nicht feiern, es gibt nämlich nichts zu feiern", sagt Susan Talke mit bedrückter Stimme, "viele von uns haben Bauchweh."

2008 und 2012 veranstaltete Susan Talke noch mit ihren amerikanischen Freunden eine Wahlparty, um Obama zu unterstützen. 2016 war alles anders: keine Wahlparty, kein rot-weiß-blau geschmücktes Wohná †zimmer, keine Stars und Stripes an den Wänden - hatte Talke vielleicht schon insgeheim damit gerechnet, dass der Republikaner den Sieg davonträgt? Keineswegs. Die gebürtige Amerikanerin habe in der Wahlnacht bis zum Schluss gehofft, dass Clinton gewinnt. Am Tag nach Trumps Sieg saß der Schock umso tiefer. "Ich konnte es nicht glauben", erzählt Talke. Für Trump empfindet sie keinerlei Sympathie, im Gegenteil. Mit "seinem Gehabe" könne sie nichts anfangen, außerdem mangele es ihm "an Würde und diplomatischem Geschick", so Talke.

Bauchweh empfindet Werner Roß aufgrund Trumps Regierungsantritt nicht. Der Repräsentant des FCI blickt der Legislaturperiode gelassen entgegen: "Der Mann ist demokratisch gewählt worden, das muss man so akzeptieren." Einige der Pläne des zukünftigen US-Präsidenten, wie zum Beispiel die Einführung von Strafzöllen für deutsche Autobauer, findet Roß gar nicht so verkehrt. Er fragt sich: "Was ist so falsch daran, dass Trump ein Politiker ist, der mal an sein eigenes Volk denkt" Mit einem Vorhaben des designierten US-Präsidenten ist der Ingolstädter aber ganz und gar nicht einverstanden: der Idee, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu wollen. "Die Amerikaner müssen froh sein, dass sie Millionen Mexikaner bei sich haben, die Arbeiten ausführen, die sonst keiner machen will", sagt Roß empört. Große Veränderungen erwartet der FCI-Repräsentant nicht, Trump habe zwar viel angekündigt, "ob das dann alles so kommt, bleibt abzuwarten", meint Roß.

Einen gelassenen Eindruck macht auch Werner Kundmüller, Studiendirektor für Englisch und Erdkunde am Christoph-Scheiner-Gymnasium. Der Amerika-Experte, der schon lange einen Schüleraustausch mit einer amerikanischen Partnerschule in Milwaukee, Wisconsin, am Scheiner-Gymnasium organisiert, ist überzeugt, dass "Trump anders agieren wird, als viele erwarten, und mehr Prinzipien verfolgt, als jeder denkt". Dass es der Republikaner ins Weiße Haus schafft, habe der Englischlehrer nie ausgeschlossen: "Es war irgendwie abzusehen, dass die Amerikaner irgendwann die Nase vollhaben vom etablierten Denken", gibt Kundmüller zu bedenken.

Der Amerikaner Rick Webster, Football-Spieler bei den Ingolstadt Dukes, sieht auch noch einen anderen Grund für Trumps Wahlsieg: Hillary Clinton. "Wenn man sich Hillarys Reden in der Vergangenheit einmal genau ansieht, kann man feststellen, wie oft sie ihre Meinung geändert hat. Sie hat immer genau das gesagt, was die Leute hören wollten, nur um Stimmen zu gewinnen", meint der 32-jährige Quarterback. Er fragt sich: "Wie schlecht muss man sein, um gegen Donald Trump zu verlieren" Websters Familie ist politisch gesehen gespalten: Seine Mutter und sein ältester Bruder sind Obama-Anhänger, sein anderer Bruder gehört, wie Webster vermutet, zum Trump-Lager. "Mein Vater würde im Moment jeden anderen Präsidenten Obama vorziehen", erzählt er.

ERC-Stürmer Danny Irmen, geboren in North Dakota, hat die Hoffnung, "dass Trump seine Kritiker Lügen strafen kann". Seiner Ansicht nach sollte Trump "die nötigen Dinge verbessern und Amerikas Verbündeten zur Seite stehen".

Und was denkt Bürgermeister Sepp Mißlbeck über Trumps bevorstehende Vereidigung? Mißlbeck, dessen Schwestern in den USA leben, meint: "Wir können uns nicht leisten, über ihn zu schimpfen, weil er vom amerikanischen Volk demokratisch gewählt wurde. Das müssen wir so akzeptieren." Problematisch sieht Mißlbeck trotzdem Trumps "außenpolitische Wirkung, die angekündigten Strafzölle und seine Vorhaben, die von Obama eingeführten sozialen Maßnahmen infrage zu stellen". Trotzdem ist Sepp Mißlbeck optimistisch: "Ich habe die Hoffnung, dass in Trumps Kabinett Kräfte sind, die über den US-Tellerrand hinaussehen."

84 Prozent der Deutschen halten Trump laut Forsa-Umfrage für ungeeignet. Doch Kundmüller sagt: "Es hat in der Geschichte der US-Präsidenten oftmals Präsidenten gegeben, die im Vorfeld unterschätzt wurden, nehmen wir zum Beispiel Ronald Reagan. Dieser wurde vor seiner Wahl als einfältiger Schauspieler abgetan." Ob sich diese Beobachtung auch bei Donald Trump bewahrheitet, bleibt abzuwarten.