Ingolstadt
Es bleibt aus

Digitales Fasten als Neujahrsvorsatz: Eine Woche lang ohne Handy

15.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:39 Uhr
Da kommt sicher niemand ran: Für eine Woche verzichtet unsere Volontärin Anna Hausmann auf ihren ständigen Begleiter. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Das Problem liegt auf der Hand - das Smartphone. Es ermöglicht, überall und ständig erreichbar zu sein. Manchmal ist das aber auch mehr Pflicht als Kür. "Entschleunigen" sollte das Schlüsselwort für 2019 sein, einfach die Zeit mal ohne Smartphone genießen, sofern das der vielzitierte "Digital Native" noch kann.

Heute ist der letzte Tag, bis das Handy in einer Truhe in der Redaktion verschwindet und dort eine Woche ruht, bis seine Besitzerin (21 Jahre) es wieder reanimiert. Bis dahin erfolgt jeden Tag ein Statusbericht, wie sich die handyfreie Zeit auf das Wohlbefinden auswirkt. Es ist ein Selbstexperiment, das mehr an Selbstkasteiung anmutet.

Ein Wisch über das Display, vier neue Nachrichten leuchten auf, darunter eine Pushmitteilung. Das Handy entsperrt, gleich mal die Nachrichten beantworten. Dann landet das Handy wieder griffbereit auf dem Tisch. Doch war da nicht doch noch eine neue Nachricht? Und direkt wieder einen Blick darauf geworfen. Das Bedürfnis, sein Smartphone ununterbrochen auf neue Nachrichten zu checken, hat sogar einen Namen: Fomo, kurz für Fear of missing out - Angst, etwas zu verpassen. Es klingt fast wie eine Diagnose.

Gefühlt ist das halbe Leben auf dem kleinen Gerät. Längst ist der beste Freund in der Hosentasche nicht mehr nur Telefon, sondern zugleich Kamera, Radio, Heimkino - oder ein Immer-und-überall-Kino, digitaler Briefkasten, Enzyklopädie, Wörterbuch, Navigationssystem und Aufnahmegerät. Zeitvertreib und vor allem Zeitfresser in einem.

In der Tilly-Realschule haben deshalb Schulklassen vor zwei Jahren im Rahmen des Projekts "1000 Tage ohne" auf ihre Smartphones verzichtet. "Wir haben dadurch gemerkt, was für einen Zwang das Handy mittlerweile darstellt", erklären die Achtklässlerinnen Josephine Jackmann und Sarah Limmer ihren künftigen leidensgenossin. "Durch das Verzichten konnten die Schüler damals ihr Verhalten mit Smartphones reflektieren", so Klassenleiterin Elke Böcker. Die Schüler haben dabei die handylosen Stunden aufsummiert und sind insgesamt so bis zu 28 Tagen ohne Smartphones ausgekommen. Die DK-Volontärin will es jetzt wissen und treibt inspiriert von dieser Aktion das Ganze noch auf die Spitze: Der absolute Verzicht - sieben Tage lang ohne Unterbrechung.

Das Ende naht: Ein Broadcast, eine gesammelte Nachricht an mehrere Kontakte, verkündet das vorzeitige Ableben auf Whatsapp: "Hier kommt mein digitaler Abschiedsbrief an euch. Schickt mir ab jetzt Brieftauben, Morsezeichen an mein Fenster oder eine E-Mail", denn der Computer ist immerhin noch für die Arbeit im Einsatz.

Das Handy vibriert in der Hosentasche, vorerst das letzte Mal: "Wir bleiben in Kontakt", schreibt eine Freundin, gefolgt von einer Reihe von roten Herzchen-Emoticons. Aber Moment, man ist doch nicht aus der Welt! Obwohl, zumindest aus der digitalen schon. . .

Anna Hausmann