Ingolstadt
"Erziehung können wir nicht beeinflussen"

Bürgermeister Sepp Mißlbeck stellt sich den Fragen der Schülerin Verena Ullinger zum Thema Autoverkehr

08.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:51 Uhr

Diskussionsbedarf: Verena Ullinger findet, dass zu viel Auto gefahren wird. In ihrer Schule lassen sich viele von den Eltern in den Unterricht bringen, obwohl auch Busse unterwegs sind. Bürgermeister Sepp Mißlbeck kann aber nur an die Vernunft appellieren. - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Jeden Tag beobachtet die 16-jährige Verena Ullinger, wie Schüler von ihren Eltern mit dem Auto in die Schule gebracht werden (siehe Artikel untern). Sie findet, dass in unserer Gesellschaft etwas schiefläuft und viel mehr Menschen mit dem Rad oder dem Bus fahren sollten. Aus gesundheitlichen und Umweltschutzgründen. In einem Brief hat sie sich an den DONAUKURIER gewandt.

Verena Ullinger: Viele Kinder werden mit dem Auto in die Schule gebracht, weil angeblich die Busverbindungen zu schlecht sind. Was sagen Sie dazu?

Sepp Mißlbeck: Es ist halt so, dass in den Stoßzeiten ein paar Tausend Schüler verfrachtet werden müssen. Dass der Bus nicht vor jedem Haus in Haunwöhr oder Friedrichshofen halten kann, ist klar. Da kann es dann schon sein, dass Eltern sagen: „Komm ich fahr Dich schnell.“ Dass in dieser Zeit zu wenig Busse fahren, das Gefühl hab ich nicht. Ist das so?

 

Viele Eltern meinen das zumindest. Könnte man die Verbindungen verbessern?

Mißlbeck: Ich will nicht sagen, dass manche Schüler verzogen sind. . ., aber die offiziellen Busverbindungen würden sicher ausreichen. Ich notier mir aber den Anstoß, noch einmal zu schauen, ob das wirklich so ist.

 

Wie steht es denn mit Ihnen? Wie oft steigen Sie ins Auto, obwohl Sie auch Fahrrad oder Bus fahren könnten?

Mißlbeck: Ich wohne in der Ingolstädter Altstadt. Hier mach ich alles zu Fuß. Ich habe auch einen Betrieb draußen an der Autobahn. Bis auf Audi haben wir alle Kunden auswärts, deswegen bin ich an das Auto gebunden. Durch meine berufliche Entwicklung bin ich mit dem Auto groß geworden und auch überzeugter Autofahrer. Ich gestehe: Ich bin früher mit dem Auto an den Baggersee gefahren, bin dann zehn Kilometer gejoggt und wieder heimgefahren. Wir leben in einer Autostadt und da ist die Gefahr groß, dass das Auto ein liebgewordener Bestandteil des Lebens wird. Mittlerweile bin ich ein mehr oder weniger eifriger Wochenend-Radlfahrer. In meine Firma bin ich aber noch nie mit dem Rad gefahren.

Warum nicht? Das ist doch gesund. Die frische Luft...

Mißlbeck: Schon klar. Aber, ich muss tatsächlich oft zu weiteren Terminen. Da ist das Auto schon fast ein Automatismus wie das Zähne putzen. Unter dem Gesundheitsaspekt mach ich lieber meine Radtouren am Wochenende. Wenn ich morgens zum Rathaus gehe, begegnen mir immer mehr Menschen, die offenbar mit dem Rad zum Dienst fahren. Mit Trainingsanzug und Rucksack auf dem Rücken, indem sie wohl die Arbeitskleidung haben. Da ist schon ein Trend zu erkennen.

 

Am Kreuztor stehen trotzdem jeden Tag so viele Autos, in denen Schüler hocken, die sich von ihren Eltern in die Schule fahren lassen. Das finde ich nicht in Ordnung.

Mißlbeck: Die individuelle Erziehung können wir natürlich nicht wesentlich beeinflussen. Wir können aber einen Denkanstoß geben.

 

Und die Busverbindungen verbessern. Bisher werden meist die Parkplätze ausgebaut.

Mißlbeck: Sie haben schon recht. Durch Audi, unseren großen Arbeitgeber, hat jeder Haushalt ein, zwei vielleicht drei Autos. Und wenn das Auto vor der Haustür steht und es ist 12.15 und der Bus fährt um 12.30 Uhr, kann schon sein, dass einige sagen: „Komm, dann fahr mer halt“. Aus dieser falsch verstandenen Bequemlichkeit heraus. Ich bin leider auch so einer.

 

Die Viertelstunde kann man doch warten.

Mißlbeck: Früher war das Auto noch mehr ein Statussymbol. Heute ist das passé, das Auto für viele nur ein Alltagsgegenstand. Vielleicht ist es für die meisten jungen Leute sogar schicker, mit einem tollen Fahrrad zu fahren. Ich weiß es nicht.

 

Was fahren Sie für ein Auto?

Mißlbeck: Einen Audi Q5.

 

Also schon eher ein verbrauchstarkes Auto.

Mißlbeck: Nein, die modernen Autos kann man deutlich unter zehn Litern fahren.

 

Könnten Sie sich trotzdem vorstellen, ein noch sparsameres Auto zu fahren?

Mißlbeck: Was würden Sie mir denn vorschlagen?

 

Ich kenn mich mit Autos nicht so aus, ein kleineres halt. Ich weiß ja nicht, ob Sie, wenn Sie in ihre Firma fahren viel transportieren müssen. Vielleicht könnten Sie ja auch mit einem Smart fahren?

Mißlbeck: Ich bin Lieferant von Audi und BMW und da wird schon erwartet, dass ich nicht mit einem A1 oder A3 – den fährt übrigens meine Frau – sondern eher in einem eleganten Auto fahre. Außerdem ist ein solches Auto auf langen Strecken bequemer, auch weil ich zwei operierte Hüften habe. Aber auch die großen Autos werden ständig weiter entwickelt. Früher hat selbst ein VW 14, 15 Liter gebraucht und heute braucht er fünf. Da wird schon viel getan. Sinnvollerweise. Denn das Auto ist nach wie vor auch ein Statussymbol. Die Leute sagen: „Mensch, ich fahr einen A6 und der Nachbar ,nur’ einen A4.“ Obwohl beiden der A4 genügen würde. In Bayern haben wir zwei Slogans. „Vorsprung durch Technik“ von Audi und „Freude am Fahren“ von den Münchnern. Das weckt bewusst Emotionen. Haben Sie denn vor mit 18 Auto zu fahren?

 

Ich mache auf jeden Fall den Führerschein, weil man den in manchen Berufen ja auch braucht. Aber ich will mir einen Beruf suchen, zu dem ich mit dem Radl fahren kann.

Mißlbeck: Ehrlich? Das ist aber schon extrem. Dass Sie selbst ihren beruflichen Werdegang auf diese Frage ausrichten, das ist für mich ein bisschen fremd. Andererseits könnte einem das fast schon wieder imponieren.

 

Ich will aber auch andere Leute zum Umdenken bringen. Heute ist zum Beispiel bei uns die letzte Stunde ausgefallen. Da haben viele das Handy rausgezogen, daheim angerufen und gesagt: „Bitte hol mich ab.“ Ich kann halt einfach heimradeln.

Mißlbeck: Ich habe solche Anrufe auch schon gekriegt.

 

Sollten Sie da als Politiker nicht auch ein Vorbild sein?

Mißlbeck: Jessas, ja. Natürlich sollten die Erwachsenen ein Vorbild sein. Wir könnten eine Fahrradaktion in den Schulen machen. Eine Art Werbeaktion nach dem Motto „Fahr Fahrrad und bleib gesund“.

 

Der Bund Naturschutz macht gerade die Aktion „In die Schule GEH ich gern“. Das ist genau das Thema.

Mißlbeck: Die Politik kann nur vernünftige Verkehrswege schaffen, sprich Radlwege. Sie kann ein gutes Busnetz aufbauen, was wir glaube ich haben, und das dritte und Wesentliche ist, dass die Kinder an ein Fahrrad gewöhnt werden. Das ist dann eine Erziehungsfrage. Wahrscheinlich sollten die Eltern mit ihren Kindern wirklich lieber mit dem Radl als mit dem Auto ins Freibad fahren. Das seh ich schon ein. Diese Entwicklung hat in den vergangenen Jahren glaube ich aber schon angefangen.