Ein
Erzählte Selbstfindung

Das Leben eines Comiczeichners

29.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:53 Uhr

Ein verregneter Nachmittag ist eigentlich kein Grund zur Freude. Außer man bekommt das richtige Buch in die Hände. Ein Buch wie „Das hellgrüne Rentier“ von Günter Woog. In fünf Kapiteln erzählt der Autor, der in Großmehring bei Ingolstadt lebt, die Geschichte von Gabriel Tannhus: dem Kind, das, traumatisiert vom Tod des Vaters, anders ist als die anderen und darunter leidet.

Dem Heranwachsenden zwischen erster Liebe und Verantwortung. Dem erwachsenen Gabriel Tannhus, der als bekannter Autor und Comiczeichner von Lesung zu Lesung reist und seine große Liebe findet.

Von der ersten Zeile an fesselt Woogs Sprache. „Die Wintersonne hatte sich auf die dicke Schneedecke gebettet“, heißt es da. Oder: „Der Garten weinte dicke Tränen“ und „Licht kroch nur mäßig von außen durch den Türspalt“. „Bilder“ nennt Woog denn auch die 25 Abschnitte, in denen er die Handlung vorantreibt und es versteht, Menschen und Szenerien schon mit wenigen Sätzen lebendig werden zu lassen. „Was bewegt einen Menschen dazu, Geschichten zu erzählen“, fragt Woogs Held. Ist es die Lust am Ausdruck, die Hoffnung auf Unsterblichkeit, der Wunsch, die Welt zu verbessern oder die Menschen zu verführen? „Ein Geschichtenerzähler ist auch eine Art Blindenhund“, lautet die Antwort des Protagonisten. Woog ist, wenn nicht „Blindenhund“, so doch ein guter Beobachter. Einer, der Verletzlichkeit ebenso sieht wie Stärke, Hoffnung und Verzweiflung. Und sie einfängt in seiner bildreichen und dennoch klaren Sprache, ohne Pathos und Populärpsychologie. „Kann man denn nicht ein beeindruckendes Bild ein beeindruckendes Bild und einen guten Song einen guten Song sein lassen“, fragt sich Tannhus beim Lesen schwülstiger Kritiken. Man kann. Und man sollte ein gutes Buch ein gutes Buch sein lassen.

Rüdiger Woog: Das hellgrüne Rentier. Spielberg Verlag, 170 Seiten, 9,90 Euro.