Erstmals in den USA an einem Schießstand

18.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:56 Uhr

 

Fort Benning/Singenbach (rks) Ihre erste Dienstreise nach Übersee hat Nationalkaderschützin Silvia Rachl nun hinter sich – und natürlich war der Start beim Weltcupwettbewerb in Fort Benning ein Riesenerlebnis für die Singenbacherin.

Alles supergut also momentan für die 24-Jährige? Nicht ganz. Mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in München (29. Juli bis 11. August) hat es nämlich nicht geklappt, bei diesem Großereignis muss Silvia Rachl definitiv zuschauen. "Und das ist wirklich schade. Eine Teilnahme an der WM im eigenem Land, quasi in meinem Wohnzimmer, wäre schon toll gewesen. Andererseits sollen hier nur die wirklich Besten starten, und zu ihnen gehörte ich bei den Ausscheidungswettbewerben eben nicht", so die Singenbacherin fair – und selbstverständlich auch ein bisschen traurig.
 

Waffe kaputt

Dabei hatte es zu Beginn der internen deutschen Qualifikation gar nicht so schlecht für sie ausgesehen, mit dem Luftgewehr lieferte die 24-Jährige ein durchaus respektables Anfangsergebnis ab. Aber dann . . . So ging ihr Gewehr am zweiten Tag kaputt, Silvia Rachl musste mit einer Ersatzwaffe weiterschießen ("Das machte wirklich keinen Spaß") – und verspielte schon hier alle ihre Chancen auf eine WM-Teilnahme. Den zweiten Ausscheidungswettkampf ein paar Wochen später ließ sie dementsprechend locker angehen – und ergatterte immerhin noch Platz sechs in der deutschen Damenrangliste mit dem Luftgewehr. Bei den Weltmeisterschaften in München sind allerdings nur die besten drei Frauen des DSB in dieser Disziplin dabei.

Die Erinnerungen an die Weltcupteilnahme in Fort Benning können Silvia Rachl hingegen nicht mehr genommen werden. Zehn Stunden lang dauerte der Flug von Frankfurt nach Atlanta, und bereits eineinhalb Tage nach der Ankunft in den USA ging es an die Schießstände. "Die große Hitze dort war ekelig", erinnert sich die Nationalkaderschützin aus Singenbach: "Das musste erst einmal verkraftet werden."

Dass sie es trotzdem schaffte, mit dem Luftgewehr als beste Deutsche in die Wertung einzugehen, noch vor Constanze Rotzsch (Markkleeberg) und Ramona Gössler (Nagold) – kein Grund für sie, nun Freudensprünge aufzuführen. "Im Endeffekt reichte es ja nur zum 30. Gesamtrang, da hatte ich schon deutlich mehr von mir erhofft. Und auch die Trainer hatten mehr von mir erwartet", gibt die 24-Jährige unumwunden zu.

Die ersten 20 Schuss in Fort Benning verliefen noch nach Wunsch: Silvia Rachl konnte mit dem Druck und all der Hektik in der Schießhalle gut umgehen, erzielte insgesamt 198 Ringe. Aber was war dann plötzlich in der dritten Serie los? "Wenn ich das nur wüsste . . . Irgendwie war jetzt mein Akku leer, bei ein paar Schüssen hatte ich überhaupt keinen Plan", verrät die Singenbacherin. Die bittere Konsequenz daraus: Lediglich 95 Ringe in zehn Versuchen, und so etwas wurde in diesem Weltklasse-Starterfeld eben knallhart bestraft.

Da nutzte es Silvia Rachl auch nichts mehr, dass sie in der vierten Serie perfekte 100 Ringe ablieferte – mit insgesamt 393 Ringen (davon 24 Zehner) war nicht mehr als die 30. Position drin. Andererseits: Lediglich drei Ringe mehr – und die Singenbacherin wäre im großen Finale der besten Acht gestanden. Wirklich unglaublich, wie eng es auf solch hohem Niveau abgeht . . . Übrigens, der Sieg bei diesem Weltcupwettbewerb mit dem Luftgewehr ging dann an die Chinesin Siling Yi – vor ihrer Landsfrau Liuxi Wu.

In der Disziplin "Kleinkaliber Dreistellung", setzte sich für Silvia Rachl schließlich ein unerfreulicher Trend fort: Sie steckt hier in einer kleinen Krise. "Liegend fing es zwar supergut an für mich, aber stehend verlor ich völlig das Konzept", so die Singenbacherin selbstkritisch. Auch kniend lief es für sie nicht nach Wunsch, so dass am Ende nur 572 Ringe zu Buche standen – und damit lediglich der 36. Platz unter 64 Starterinnen, noch hinter Constanze Rotzsch (25.) und Ramona Gössler (26.).

"Ich hoffe, dass das trotzdem nicht meine letzte Dienstreise in die USA war, ein paar möchte ich schon noch machen. Aber dafür muss eben auch meine Leistung stimmen", lächelt Silvia Rachl. Acht Tage war sie nun in Übersee, aber außer ihrem Hotel in Columbus (Georgia), dem Flughafen in Atlanta sowie eben Fort Benning hat sie nicht viel gesehen. "Wir waren ja auch nicht zum Sightseeing dort, sondern um etwas zu tun", so die Nationalkaderschützin. Kontakte zu ausländischen Konkurrenten sind dennoch geknüpft worden, auch ein paar Klamotten ("Die sind in den USA deutlich billiger als hier in Deutschland") brachte Silvia Rachl mit über den großen Teich – und natürlich jede Menge Eindrücke sowie Erfahrungen, die ihr in ihrer weiteren Karriere noch eine Menge helfen könnten. "So habe ich nun zum Beispiel gelernt, wie es ist, bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit zu schießen. So etwas ist bei uns in Deutschland in dieser Weise nicht zu trainieren", erklärt sie.

Ihre nächsten Ziele? "Zunächst einmal gesund werden", kommt es bei ihr wie aus dem Luftgewehr geschossen. Ja, zurzeit schlägt sie sich noch mit den Folgen einer Mandelentzündung herum – auch ein Mitbringsel aus den USA? In der nächsten Woche wird es für Silvia Rachl jedenfalls wieder ernst, dann steht der Rifle-Cup-Wettbewerb in Volmerange-les-Mines (Frankreich) auf dem Programm. "Dort startet eher die zweite Garnitur, während die absolut Besten zur gleichen Zeit beim Weltcupturnier in Belgrad sind", berichtet die Singenbacherin.

Flaute abstellen

Und sie freut sich auf ihren nächsten Start: "Ich brauche dringend Wettkampfpraxis. Wer weiß, vielleicht fahre ich deshalb im kommenden Jahr sogar auf eigene Kosten zu manch einer Konkurrenz." Ja, Silvia Rachl ist extrem ehrgeizig, ihre aktuelle Flaute in der Disziplin "Kleinkaliber Dreistellung" gefällt ihr überhaupt nicht und soll schnellstens abgestellt werden! "Mit dem Luftgewehr läuft’s hingegen eigentlich ganz okay – wenn es mir nur endlich gelingen würde, nicht nur 30, sondern alle 40 Schuss optimal hinzubekommen", verrät sie.

Was benötigt ein Schütze, um ganz vorne dabei zu sein? Die Antwort gibt es von Bundestrainer Claus-Dieter Roth: "Das beginnt, wie in vielen anderen Sportarten auch, mit einer vernünftigen Ausdauer. Darüber hinaus sind eine gute Gleichgewichtsfähigkeit und ein gutes Sehvermögen wichtig – genauso wie die Fähigkeit, das alles zu koordinieren."

Silvia Rachl besitzt all das, sonst würde sie definitiv nicht im deutschen Nationalkader stehen – und solche Dienstreisen wie eben nach Fort Benning machen. "Silvia hat sich das auf jeden Fall verdient", urteilt Simone Schilling, die langjährige Bundesligaschützin aus Gachenbach, über die 24-jährige Singenbacherin. Und sie gibt zu: "Wenn ich weiß, dass Silvia Rachl irgendwo schießt, drücke ich ihr ganz fest die Daumen und hoffe, dass sie es gescheit macht."