Wolnzach
Erst Präsident, jetzt Jungbrauer

Einstiger Pflanzerverbandschef Josef Wittmann kreiert im Ruhestand neue Hopfen- und Biersorten

06.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:44 Uhr
Josef Wittmann −Foto: privat Jo Strauss

Wolnzach/ Steinbach (WZ) Er ist jetzt Jungbrauer und Hopfenzüchter: 20 Jahre lang war Josef Wittmann, Austragslandwirt aus Steinbach, Präsident des Hallertauer Hopfenpflanzerverbandes. Jetzt hat er eine neue Passion gefunden, allerdings im alten Metier.

Vielleicht irgendetwas mit Sport möchte er machen, das hat Josef Wittmann im Gespräch mit unserer Zeitung gesagt, als er seinen Abschied nahm und das Amt des Pflanzerverbandspräsidenten aufgab. Mit dem Sport, da hat er in seiner Jugend ganz beachtliche Erfolge erzielt. Aber so ganz hat ihn der Hopfen dann doch nicht losgelassen und schon gar nicht die Leidenschaft für sauberes Lebensmittel, guten Hopfen und ehrliches Bier.

Vor allem die älteren Hallertauer wissen es noch: Bis in die 1960er und 1970er Jahre hinein gab es hierzulande weit mehr Brauereien als heute. Brauen bedeutete oftmals ein Haus- und Hofrecht. Doch die rasante Entwicklung einer rund um den Globus vernetzten Marktwirtschaft auch auf dem Lebensmittelsektor machte vor diesen kleinen Einheiten nicht halt. Die Brauereien wuchsen und wuchsen und kauften ihre kleineren Konkurrenten auf. Es anstanden riesige Braukonzerne, die den weltweiten Markt unter sich aufteilten. Für die Feinschmecker unter den Bierliebhabern war das ein Graus, denn Individualität stand hinter dem Diktat der Großen auf dem Markt zurück. Doch es gibt es einen starken Gegentrend: Die Craft-Bier-Bewegung stemmt sich mit aller Macht dem Einheitsbrei eines industriell designten Gerstensaftes entgegen.

"Die aus den USA mitgebrachtenHopfen mussten bei uns erst einmal noch virusfrei gemacht werden."

 

 

 

Auch Josef Wittmann hat das schon sehr früh erkannt. Kein Wunder, als Präsident des Hallertauer Pflanzerverbandes von 1995 bis 2015 bereiste er viele Länder, stets auf der Suche nach den neuesten Trends. Insbesondere in den USA fiel dem Holledauer die Findigkeit der dortigen Pflanzerkollegen ins Auge, die ihre Fechser zu immer neuen Kreationen kreuzten und damit völlig neue Hopfensorten für die verschiedenen Geschmäcker der Verbraucher auf den Markt warfen: Bier mit einem Hauch von Minze, Zitrone, Aprikose, Papaya Maracuja und vieles andere mehr goutierten nicht nur die männlichen, sondern zunehmend auch die weiblichen Biergenießer, was natürlich völlig neue Märkte zu erschließen versprach.

Wittmann erkannte vor allem eines: Gerade junge Verbraucher bevorzugen eigene Biersorten mit ausgesuchten Geschmacksnoten - und am liebsten die von "dahoam". "Was die Amerikaner können, das muss im Herzen der Holledau genauso gehen", dachte sich der Steinbacher und machte sich ans Werk. Doch ausgerechnet das deutsche Reinheitsgebot, das Bierbrauen nur mit den Zutaten Wasser, Hopfen, Malz und Hefe zulässt, erwies sich zunächst als ein Hindernis auf dem Weg zu dieser Geschmacksrevolution auch hierzulande.

Den Durchbruch bedeutete letztendlich ein Besuch Wittmanns in Übersee 2006, als er eine Craft-Brauerei im texanischen Austin besuchte. Mit Erstaunen stellte er fest, wie die Kollegen dort mit relativ einfachen Mitteln ein exzellentes Bier herstellten und ein völlig neuer Geschmack in das Bier nur durch bestimmte Kreuzzungen in die Hopfendolde gezaubert wurde. Da hatte Wittmann Feuer gefangen. Nach seiner Rückkehr machte sich der Steinbacher Landwirt sofort daran, selbst neue aroma- und ertragreiche Sorten zu kreieren. Wichtige Grundlagen für seine Züchtungen bildeten US-amerikanische Sorten wie Comet und Cascade. Doch ganz so einfach war die Geschichte dann doch nicht. "Die aus den USA mitgebrachten Hopfen mussten bei uns erst einmal noch virusfrei gemacht werden", erklärt Wittmann. Dazu war ein Umweg über Dresden notwendig.

Nach der Hofübergabe an seinen Sohn Robert konzentrierte sich der heute 62-jährige Josef Wittmann auf Neuzüchtungen durch das Einkreuzen verschiedener US-amerikanischer Sorten. Um aber die Ergebnisse seiner Arbeit selbst zu verkosten, absolvierte der Hopfenbauer einen Brau-Lehrgang bei der Firma Barth & Sohn. Mit diesem Rüstzeug machte sich der Steinbacher an die Arbeit. Und siehe da: Die ersten Brauversuche versprachen gute Ergebnisse, "auch wenn schon einiges Bier weggeschüttet werden musste", wie der "Jungbrauer" eingesteht.

"Der Name Hallertau soll auch künftig mit dem einzigartigen Image unserer Heimat als Hopfenanbaugebiet verbunden bleiben."

 

 

Zahlreiche Besuche auf einschlägigen Messen und Märkten folgten, bis schließlich eine Brauerei im Bayerischen Wald bereit war, die Pionierarbeit zur Einführung eines neuen Craft-Bieres in ihren Gaststätten zu übernehmen. Andere Brauereien folgten dem Beispiel relativ bald. Und so wird das Craft-Bier "Hopfenstopfer" auf der Grundlage der Wittmannschen Hopfenpflanzen heute deutschlandweit vertrieben.

Für seine Familie und Freunde braut der "Pflanzer-Sepp", wie ihn seine Hopfenbauernkollegen nach wie vor respektvoll nennen, in seiner hauseigenen Anlage spezielle Biersorten mit ausgesuchten Geschmacksnoten. Und das Finanzamt hat da auch noch seine Finger drin: Bis zu 200 Liter darf der Hobbybrauer - nach Anmeldung beim Hauptzollamt versteht sich - jährlich steuerfrei herstellen.

"Der Name Hallertau soll auch künftig mit dem einzigartigen Image unserer Heimat als Hopfenanbaugebiet verbunden bleiben", sagt Josef Wittmann über seine Leidenschaft. "So wäre es schön, wenn sich möglichst viele hiesige Gaststätten, schon allein wegen des wachsenden Fremdenverkehrs, dem neuen Trend nach Craft-Bier und Biergenuss anschließen würden."

Unterstützung bekommt der "Hopfenflüsterer" aus dem eigenen Dorf. Die Hopfenbotschafterin Marianne Huber aus Steinbach plant bereits ein Bierseminar mit dem umtriebigen bayerischen Craft-Bier-Pionier. Als Zeitpunkt hat sie den bei den Pflanzern weniger arbeitsintensiven Monat Juni in den Blick genommen. Wo? Natürlich im Steinbacher Hopfenhaus.