Ingolstadt
Erkundungen im Geisterwald

Biotop auf militärhistorisch wertvollem Grund: Friedrichshofener Bürgerinitiative setzt sich für Kauf ein

19.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:12 Uhr
Biotop IN-1098-00: Der Friedrichshofener "Geisterwald" (unten links) wird mehr und mehr vom Neubaugebiet bedrängt. Das alarmiert die Bürgerinitiative. −Foto: Schalles

Ingolstadt (DK) Für viele Kinder in Friedrichshofen war der "Geisterwald" schon immer ein beliebter Abenteuerspielplatz. Das Biotop, das nach und nach vom großen Neubaugebiet eingekreist wird, hat eine militärische Vergangenheit, von der nur die wenigsten wissen. Grund genug für die Friedrichshofener Bürgerinitiative (FBI), sich dieses Areals anzunehmen und für einen Erwerb durch die Stadt einzutreten.

"Östlich dieses Wäldchens sollte ursprünglich die grüne Mitte angelegt werden", sagt FBI-Sprecher Georg Niedermeier, "aber die haben sie uns weggeknapst." Sprich: Der Bebauungsplan Friedrichshofen-Dachsberg wurde zwischenzeitlich mehrfach neuen Notwendigkeiten angepasst und erweitert. "Dafür möchten wir einen Bürgerpark auf dem Dachsberg." Und auch das Geisterwäldchen, so Niedermeier, "sehe ich als eine Art Ersatz für die gestrichene grüne Mitte". Denn irgendwann werde das bisher noch frei in der Landschaft stehende Biotop von Bebauung umgeben sein.

Das Grundstück des Wäldchens gehört einem Privatmann aus Gerolfing. Die FBI-Forderung lautet: Der Stadtrat soll den Kauf des Geländes beschließen und Verhandlungen mit dem Eigentümer aufnehmen. In seiner Funktion als BGI-Stadtrat hat Niedermeier mit der Fraktion einen entsprechenden Antrag eingebracht. Hier heißt der Geisterwald "Munitionsdepot VII", denn das ist der historische Hintergrund für die Entstehung des Biotops. "Eine Bebauung ist auch deshalb schon ausgeschlossen, weil damit umfangreiche archäologische Untersuchungen mit hohem finanziellen Aufwand verbunden wären", argumentiert die BGI. "Nach eingehender Untersuchung und Ausschluss von Gefahrenpotenzial könnte das Gelände zudem der Bevölkerung zugänglich gemacht und in die Grünflächen der geplanten Baugebiete eingebunden werden."

Laut Ortschronist Gustav Bernhardt begann mit dem Ausbau der sogenannten Zwischenwerke der Landesfestung ab 1888 auch der Bau der Zwischenbatterien und Munitionsdepots. "Die modernen Festungsanlagen im Raum Friedrichshofen bildeten eine heute kaum noch vorstellbare Landschaft voller meist gut getarnter militärischer Großbauten jeglichen Formats."

Ende des Zweiten Weltkrieges suchte die Zivilbevölkerung Schutz in der Batterie am Heideweg und im noch intakten Munitionsdepot VII. "Das war so eine Art Bunker", weiß der Friedrichshofener Adolf Ernhofer, der als Bub das Kriegsende hier miterlebte. "Der war damals mit Erde bedeckt, ein Erdhügel, noch ohne Bäume. Wir haben von dort freie Sicht auf Friedrichshofen gehabt." Und aus der Ortschaft habe man "die Kühe plärren" gehört, die gemolken werden wollten. "Einer ist mit einer weißen Fahne Richtung Ortschaft marschiert, einige Frauen haben mitgehen dürfen und sind mit der Milch zurückgekommen." Ernhofers Mutter kam beim Einmarsch der US-Truppen auf tragische Weise ums Leben (siehe Kasten).

Der ehemalige Munitionsraum und Bunker wurde 1946/47 wie viele andere Festungsbauten gesprengt, auf den Trümmern der Tonnengewölbe wuchsen Bäume, bildete sich ein Rückzugsgebiet für verschiedene Tierarten - kurz gesagt: das Biotop mit der Nummer IN-1098-00 alias der Geisterwald.

"Es wäre schon wünschenswert, wenn die Stadt das kauft", findet Stadtheimatpfleger Tobias Schönauer. Dann wäre nach seiner Ansicht die Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer, dass dem archäologisch gut erhaltenen Munitionsdepot VII das gleiche Schicksal beschieden ist wie der Lagerschanze Nr. 7, einem anderen Relikt der Landesfestung. Dieses historische Denkmal auf dem Gelände eines Autohauses an der Manchinger Straße wurde 2016 von der Firma ohne Genehmigung dem Erdboden gleichgemacht.