Erinnerungssplitter eines Thrillerautors

26.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:51 Uhr

Viel(ver)sprechender Autor: Sebastian Fitzek. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Über Juristen gibt es ja zahlreiche Vorurteile: Dass sie unkreative und sture Köpfe sind und eher wenig Sinn für Humor haben. All das trifft auf Sebastian Fitzek in keiner Weise zu. Nur ein einziges sich bewahrheitendes Vorurteil findet man bei ihm wieder: Er redet gern und viel.

Die in der Buchhandlung Ganghofer zahlreich versammelten Thrillerfans, die zur Lesung des gefeierten Jungautors und promovierten Juristen gekommen sind, haben sich beim Anblick des aufgebauten Beamers vielleicht schon gedacht, dass das keine ganz normale Lesung wird. Anstatt sich nämlich darauf zu beschränken, aus seinem neuen Psychothriller "Splitter" vorzulesen, redet Fitzek erst einmal drauf los. "Ich rede gerne wie ein Wasserfall", sagt er selbstironisch über sich selbst. Dass manche Kritiker ihn schon als einen "Günther-Jauch-Verschnitt" beschrieben haben, weil er nicht sämtliche optischen Stereotype über Psychothrillerautoren erfülle. Und bevor er zur Handlung seines neuesten Werkes "Splitter" übergeht, macht er erst mal einen kleinen Ausflug zu seinen schriftstellerischen Motivationen. "Ich liebe das Erzählen eigentlich mehr als das Schreiben" sagt er – und erzählt deshalb vom Schreiben. In raschem Tempo nimmt er mit feinem Witz und in völlig freier Sprechart das Publikum in einer Manier, die keinem Stand-up-Comedian nachsteht, von einer Geschichte zur nächsten mit. Dazwischen zeigt er einen kurzen Trailer zu "Splitter" und leitet gekonnt zum Thema des Buches über: dem Vergessen. Auch hier versteht er es, dem Publikum dieses Thema am eigenen Beispiel vorzuführen. Mit einigen mehr oder weniger peinlichen Jugendfotos beweist er den Zuschauern, dass jeder Mensch zahlreiche Momente in seinem Leben bisweilen sehr gerne vergessen würde.

Marc Lukas, der Protagonist von "Splitter", wird hingegen von einem richtigen Trauma verfolgt. Nach dem Tod seiner schwangeren Frau, für den er sich selbst verantwortlich macht, wird er Teil eines unheimlichen Experimentes in einer psychiatrischen Klinik, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit einer "Amnesiepille" Erinnerungen gezielt auszulöschen. Was in der Handlung noch pseudowissenschaftlich klingen mag, steht laut Fitzeks Recherchen bald schon vor dem ersten anwendbaren Durchbruch und wirkt in der Zeit von Schlammschlachten zwischen Neuro- und Geisteswissenschaften über die Manipulierbarkeit des menschlichen Gehirns brennend aktuell.

Auch hier zeigt sich das große Talent Fitzeks, vor Menschen zu reden, seine kurzen Ausführungen zu den wissenschaftlichen Hintergründen des Buches sind sehr informativ und nie langweilig. Aber natürlich wird auch vorgelesen. Dabei zeigt sich, dass der Vielredner auch kein schlechter Vorleser ist. Jedoch bleiben die ausgewählten Stellen eher Appetithappen. Danach stellt sich der Autor den Fragen aus dem Publikum. Und zum Schluss wird die anwesende Thrillergemeinde noch einem Psychotest unterzogen, der mit einem beruhigenden Ergebnis zeigt, dass in Ingolstadt verhältnismäßig wenig potenzielle Massenmörder wohnen. Die begeisterten Zuhörer würden eine Amnesiepille nach dieser unterhaltsamen Lesung sicher ablehnen, um Sebastian Fitzek zu vergessen. Begeistert lassen sich viele ihre "Splitter"-Ausgaben signieren. Ein Autor, der sicher nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird.