Dietfurt
Erinnerungen an bescheidene Zeiten

Der Herbst in Dietfurt war in den 1950er-Jahren geprägt von der Vorbereitung auf den Winter

10.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:19 Uhr
Fleißig wurden vor Jahrzehnten noch Schlehen und Hagebutten, die auch heuer reichlich reiften, an den Waldrändern geerntet und zu allerlei Köstlichkeiten für den Winter verarbeitet (links). In der Griesstetter Straße beim heutigen Feuerwehrhaus lag der Holzgarten (rechtes), in dem die Heizvorräte für den Winter gelagert wurden. −Foto: Götz/Sammlung Roider

Dietfurt - Der Herbst hatte für die Dietfurter Kinder in den 1950er-Jahren viele schöne Seiten.

Es wurden Drachen gebastelt aus Material, das modernen Standards in keiner Weise entsprach. Deshalb gab es bei vielen Bruchlandungen zerbrochene Holzstäbe und zerfetztes Papier, was aber dem Eifer keinen Abbruch tat.

Die Bäume warfen Kastanien, Eicheln und Bucheckern ab, aus denen hübsche Basteleien entstanden. Die Kinder besangen den "spannenlangen Hansel und die nudeldicke Dirn" bei der Obsternte. An den Büschen stand das "Männlein im Walde mit dem purpurnen Mantel", dessen Kerne mit den feinen Härchen ausgepult und zum Schabernack als Juckpulver bei den Mädchen eingesetzt wurden. Sie trugen damals Zöpfe mit "Gockel" oder einen "Goi-Schwanz" als Frisur.

Eifrig wurden die Hagebutten gepflückt, geputzt und zu Marmelade und Tee verarbeitet. An den Büschen reiften die Schlehen, die nach dem ersten Frost in mehreren Durchgängen einen fiebersenkenden Saft für die Erkältungszeit ergaben. In vielen Wohnküchen stand ein ausladender Glasballon, in dem verschiedene Früchte zu allerlei alkoholischen Köstlichkeiten heranreiften. Äpfel und Birnen schnitten die Hausfrauen in Spalten und trockneten sie zu Hutzeln, die als Dörrobst im Winter mit großem Appetit verspeist wurden.

Im Haus war das überwiegende Reich der Frauen, die vor der Ehe als "Ladnerin", "Nahterin" oder "in Stellung" gearbeitet hatten und nun üblicherweise das Hauswesen besorgten. Auf den Schränken lagen in kühlen Zimmern die Wintervorräte an duftenden Äpfeln, die von den Kanal- oder Straßenbäumen stammten, deren Obst man ersteigern konnte.

Endlich gab es beim Bäcker auch wieder die begehrten Brezen, die in den Sommermonaten nicht gebacken wurden. Der Spitzlmarkt nahte mit seinem verlockenden Angebot an Lebkuchengebäck und süßem Waffelbruch. Im damaligen Holzgarten an der Griesstetter Straße waren die Schuppen ausreichend mit Brennmaterial für den Winter gefüllt. Die Kinder hatten dazu noch fleißig Butzelkühe zum Anschüren geklaubt. Die Milch wurde täglich frisch bei einem der Dietfurter Landwirte geholt und auf dem Heimweg übten die Träger fleißig, die gefüllte Kanne so flott zu drehen, dass kein Tropfen herauslief, was nicht immer glückte.

Der hochwürdige Stadtpfarrer Benno Meier machte in der Herbstsonne weiter regelmäßig Spaziergänge mit seinem Schäferhund, ging am Lindenbankl vorbei durch die "Räubergasse" in Richtung Labertal oder auf den Kreuzberg zur Moosbank. Der geistliche Herr schnupfte gerne und verlor einmal unterwegs seine Schnupftabaksdose. Die Kinder des Kindergartens machten sich gern auf die Suche und bargen tatsächlich das gute Stück wieder.

Neben dem Pfarrershund bevölkerten weitere treue Vierbeiner die Stadt, die wie der Bernhardiner Nero und der gut genährte Labrador Arco als Bäcker- und Metzgerhund, einige vorwitzige Spitze und die rundlichen Dackel aus den Polizeihaushalten zum Straßenbild gehörten.

Dunkle Erde für die Gräber wurde aus dem Ottmaringer Tal geholt. Die Kränze waren mit Papierblumen geschmückt, Bräute wurden mit großen Nelkensträußen fotografiert. Als wenige Printmedien lagen der Willibaldsbote, die Heimatzeitung und ein Versandkatalog in den Haushalten. An den Abenden klapperten überall die Stricknadeln, als im Radio Vico Torriani und Caterina Valente sangen.

Der Kalte Krieg zog durch Dietfurt seine Spuren, wenn sich amerikanische Armeefahrzeuge auch in vielen Nächten in langen Kolonnen zum Truppenübungsplatz Hohenfels wälzten. Nachdem das Schussern im Hof und in der Gasse und die Spiele im Freien allmählich eingestellt wurden, gab es für die Kinder wieder die Aussicht auf den nahenden Adventszauber in Schaufenstern mit Puppen und Spielsachen, die Eisfläche hinter dem Kloster zum Wintervergnügen und den Schnee, der früher meistens pünktlich kam.

DK


Rosmarie Götz