Ingolstadt
Er kämpft um Gehör

SPD-Kandidat Alexander Exner fordert mehr Inklusion – wie das Recht auf einen Gebärdendolmetscher

08.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:14 Uhr

Fingerzeig aufs Ohr: Wenn sich der gehörlose Alexander Exner unterhält, dann fliegen die Hände, und die Mimik spricht Bände. Gebärdendolmetscherin Ronja Kunze übersetzt. Exner ist Vorsitzender des Gehörlosenvereins und kandidiert für die SPD - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Er ist gehörlos, aber er will sich Gehör verschaffen. Deshalb strebt Alexander Exner in die Politik. Auf Platz 26 der SPD-Liste tritt der 39-Jährige bei den Kommunalwahlen an. Sein Ziel: mehr Inklusion in Ingolstadt. „Wir wollen auf Augenhöhe sein mit anderen Menschen“, fordert Exner.

Da wartet ein gutes Stück Arbeit auf den Mann, der seinen Hut entschlossen in den Ring wirft. Ob Bildung und Weiterbildung, Arbeit, Wohnen oder Freizeit – im Alltag stehen Gehörlose wie andere Menschen mit Behinderungen ständig vor Barrieren. So bleibt vieles unerreichbar: zum Beispiel ein Kinobesuch – nur, weil Untertitel fehlen. Ein Ärgernis für den 39-jährigen Exner, der aus Kirgisistan stammt, seit 25 Jahren in Ingolstadt lebt und dreifacher Familienvater ist. Seit mehr als 20 Jahren engagiert er sich ehrenamtlich im Gehörlosenverein GVIUS. In Ingolstadt und Umgebung leben etwa 2800 hörgeschädigte Menschen.

Als Vereinsvorsitzender wird Alexander Exner oft zu Veranstaltungen oder Feiern eingeladen: „Wenn ich dann vorher frage, ob ein Gebärdendolmetscher kommt, wird die Einladung schnell hinfällig.“ Das frustriert auf Dauer – erst recht jetzt im Kommunalwahlkampf, wo allerorten die Zukunft der Stadt diskutiert wird. „Ich glaube, Ingolstadt geht es finanziell nicht schlecht. Es muss doch möglich sein, dass es einen Topf gibt mit Geld für Dolmetscher“, erklärt Exner im DK-Interview, das Ronja Kunze, Mitarbeiterin des Gehörlosenzentrums, in Gebärdensprache übersetzt.

Ungeduld treibt Alexander Exner um: „Ich will nicht mehr warten: Laut UN-Konvention haben Gehörlose ein Recht auf einen Dolmetscher oder Assistenten. Ich sehe, dass es in anderen europäischen Ländern klappt. Dort sitzen auch viele Gehörlose in den Parlamenten. In Deutschland hingegen ist alles immer nur eine Frage des Geldes. Aber Inklusion kostet eben was.“ Laut Exner gibt es in Deutschland zirka 16 Millionen hörgeschädigte Menschen, aber nur etwa 600 Dolmetscher. Pro Stunde verlangt so jemand für seine Dienste 55 bis 75 Euro.

Sollte Alexander Exner tatsächlich den Sprung in den Stadtrat schaffen, was angesichts seiner offenen, gewinnenden Art und seines Engagements nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint, so muss sich die Verwaltung etwas einfallen lassen, damit der gehörlose Volksvertreter die Debatten in den Sitzungen verfolgen und seine Meinung kundtun kann. Der Kandidat hofft auf politischen Erfolg: „Im Stadtrat würde ich an der Quelle sitzen. Als Gehörloser bekomme ich jetzt zu wenig Informationen. So geht vieles an mir vorbei. Was Hörende selbstverständlich mitbekommen, muss ich mir mühsam beschaffen. Wir brauchen einen besseren Informationsfluss, um Barrieren und Hindernisse abzubauen.“

Dazu sei es auch notwendig, die halbe Stelle der städtischen Behindertenbeauftragten Inge Braun in eine Vollzeitstelle umzuwandeln. „Frau Braun ist sehr engagiert, aber sie kann den ganzen Aufgaben nicht gerecht werden“, meint Exner.

Auch am Arbeitsplatz stößt der Gehörlose mitunter an Grenzen. Alexander Exner ist als Anlagenbediener bei Audi beschäftigt. „Im Prinzip läuft es gut, aber es wäre mein Ziel, dass wenigstens bei den Gruppenbesprechungen ein Dolmetscher für mich dabei ist. Bisher kriege ich die Ergebnisse kurz schriftlich mitgeteilt. Ich würde auch gern mal eine Fortbildung machen, aber das scheitert ebenfalls am Dolmetscher. Das empfinde ich schon als ein wenig diskriminierend.“

In der Ingolstädter SPD fühlt sich Exner gut aufgehoben. „Die sind total begeistert, dass ich kandidiere und kümmern sich auch um Dolmetscher.“ Besondere Unterstützung genießt der Polit-Neuling von Achim Werner und Werner Widuckel.

Menschen mit Behinderung, davon ist Alexander Exner überzeugt, haben andere Gaben und Talente als jene ohne Handicap. „Sie haben mehr Empfindsamkeit und können besser in andere hineinschauen.“ Er räumt aber auch ein, behinderte Menschen müssten häufiger aufstehen und was sagen. „Wir brauchen ganz viel Mut“, sagt Exner und geht mit gutem Beispiel voran.