Eichstätt
Entwicklung des Gymnasiums wie im Brennglas

Weihnachtsschrift der Freunde des Willibald-Gymnasiums - Kulturtagebuch von Karl Hornung

20.12.2020 | Stand 24.12.2020, 3:33 Uhr
Die Weihnachtsschrift umfasst heuer den zweiten Teil eines Kulturtagebuches, das der ehemalige Musiklehrer Karl Hornung angelegt hat. Auf diesem Bild ist ein Auftritt des Schulorchesters mit Chor zu sehen, der im Juli 1959 in der ehemaligen Kirche Notre Dame stattfand. −Foto: Kraus

Eichstätt - Freundeskreise von Schulen haben immer eine doppelte Funktion: Zum einen wollen sie die Erinnerung an frühere Klassen und Lehrer wachhalten und pflegen auf diese Weise eine Art nostalgische Erinnerung. Andererseits regt die Veröffentlichung historischer Quellen an, die damalige Zeit mit der heutigen zu vergleichen. Bei dieser Gegenüberstellung relativieren sich viele Ereignisse, wenn man sie aus einer gewissen zeitlichen Distanz betrachten kann. Man kommt unweigerlich zu der Erkenntnis, dass viele Problemkreise aus der Pädagogik gleichgeblieben sind.

Die Weihnachtsausgabe der "Freunde des Willibald-Gymnasiums" umfasst heuer den zweiten Teil eines Kulturtagebuches, das der damalige Musiklehrer Karl Hornung über Jahrzehnte hinweg akribisch geführt hat.

Durch eine Schenkung seiner Nachfahren ist das Werk in den Besitz der Schule übergegangen, die dieses Zeugnis der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. Es enthält im EICHSTÄTTER KURIER erschienene Programme von Schulkonzerten, aber auch die Kritiken dazu sowie Berichte über das Schulleben. Daneben sind Absolviakarten, Klassenfotos aber auch Unterschriftenlisten von Klassentreffen eingeklebt.

Von besonderem Interesse sind die Reden der jeweiligen Direktoren und der Schülersprecher bei den Entlassfeiern der Abiturienten. Mit Erstaunen nimmt der Leser zur Kenntnis, dass erst 1962 im damaligen Schulgebäude, dem heutigen Ulmer Hof, eine Zentralheizung eingebaut wurde, die es dem Hausmeister somit in der kalten Jahreszeit erspart hat, 22 Öfen anzuheizen und Kohlen vom Keller unter anderem in den 2. Stock zu schaffen, was - bei 70 Treppen - für den Kriegsversehrten sicher eine enorme Belastung darstellte.

Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Jahrgänge die Klage um Raumnot im damaligen Gebäude am Leonrodplatz, die erst nach einer langen Phase des Planens mit dem Neubau des Willibald-Gymnasiums am jetzigen Ort Gehör fand.

In den Reden der Direktoren wird oft auf eine Neugestaltung der Oberstufe hingewiesen. Wenn auch mit einer gewissen Verzögerung hat die Kultusbehörde doch auf die sich verändernden Bedingungen in der Gesellschaft reagiert, indem sie neue Fächer und Unterrichtsformen einführte oder es zuließ, dass die Schüler bereits in der Oberstufe einen ersten Schwerpunkt in der Fächerauswahl setzen konnten.

Auch unterlassen es die Schulleiter in kaum einer Rede, den Absolventen die Warnung mit auf den Weg zu geben, ihren Reifungsprozess weiter voranzutreiben und nicht den Verlockungen des Studentenlebens zu erliegen.

Besonders ausführlich hat Karl Hornung den "Skandal" um die sogenannte Stadtklasse 13c des Jahrgangs 1969 dokumentiert, die zahlreiche Schüler besucht hatten, die später im gesellschaftlichen Leben Eichstätts eine wichtige Rolle spielten und es in ihrem Werdegang allgemein zu außergewöhnlichen Erfolgen brachten.

Heute kaum mehr vorstellbar, dass sich die Erregung daran entzündet hatte, dass es der Direktor der Schule abgelehnt hatte, bei der Entlassfeier einer "rhythmischen Messe" beizuwohnen. In der Folge eskalierte die Auseinandersetzung zwischen den Abiturienten und dem Schulleiter, so dass die Abitur-Zeugnisse per Post zugestellt wurden und der ganze Jahrgang Hausverbot bekam.

Vielleicht muss man aber im Nachhinein kritisch feststellen, dass die jungen Menschen, die im Ernstfall das Vaterland mit ihrem Leben hätten verteidigen sollen, das Gefühl beschlich, dass sie - in ihrer Eigenschaft als Schüler - nicht wie Erwachsene behandelt wurden.

Beim Betrachten der zahlreichen Fotos fällt auf, dass in dem Bestreben, alte Zöpfe abzuschneiden, auch einige schöne Traditionen des Schullebens auf der Strecke blieben. So verschwand Ende der 60er Jahre die studentische Schirmmütze, die Absolviakarte, mit der man stolz über das Bestehen der Reifeprüfung informierte, und auch das offizielle Abiturfoto. Viele dieser ehemaligen "Revoluzzer" wären heute wohl froh, wenn sie bei diesen Utensilien konservativer gewesen wären.

Einen weiteren Schwerpunkt legt das Heft auf einen Nachruf von Karl Röttel, den "Gründungsvater" des Freundeskreises, dessen Verdienste ausführlich gewürdigt werden. Schulleiter Claus Schredl lässt in seinem Grußwort die vergangenen Monate am Willibald-Gymnasium Revue passieren, die fast ausschließlich durch die Corona-Pandemie geprägt waren. Heribert Netter, der Vorstand des Freundeskreises, wagt einen Blick in die Zukunft des Vereins, der plant, die Verbindung zwischen Schülern und Ehemaligen noch intensiver zu gestalten.

Die Weihnachtsschrift ist im Sekretariat des Willibald-Gymnasiums zum Preis von fünf Euro zu bekommen. Die Schule ist noch bis 22. Dezember und dann wieder ab 11. Januar geöffnet.

jok