Neuburg
'Entsorgungsbewusstsein ist verloren gegangen"'

Hohe Fehlwurfquote lässt CSU-Kreisrat Rudi Peterke am Sinn der Gelben Tonne zweifeln

12.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:55 Uhr

Richtungsweisende Sitzung: Am 15. März 2012 beschloss der Kreistag die Einführung der Gelben Tonne. Der damalige CSU-Fraktionschef Bernhard Gmehling (l.) trat für den Erhalt des bewährten Erfassungssystems ein. Landrat Roland Weigert verfolgte als Befürworter der Gelben Tonne Gmehlings Ausführung mit großer Anspannung. ‹ŒArch - foto: Frank

Neuburg (DK) Wie war sie umstritten und ist jetzt doch Alltag: die Gelbe Tonne. Sie ist bequem, aber ist sie auch ökologisch? CSU-Kreisrat Rudi Peterke bezweifelt es. Mit Einführung der Tonne habe auch ein Bewusstseinswandel begonnen.

Als das Thema Abfallentsorgung vergangene Woche im Zuge der Haushaltsberatung im Kreistag im Eiltempo abgehandelt wurde - eine Gebührenerhöhung steht nicht ins Haus - kam der Schrobenhausener CSU-Kreisrat und ehemalige Landtagsabgeordnete Rudi Peterke auf die Gelbe Tonne zu sprechen. Die Quote der Fehlwürfe betrage landesweit etwa 43 Prozent, sagte Peterke. Wie hoch sie im Landkreis sei, wollte er wissen. Eine belastbare Antwort darauf konnte die stellvertretende Werkleiterin Monika Kraus nicht geben, weil die Gelbe Tonne unter der Regie des Dualen Systems läuft. Landrat Roland Weigert (FW) schätzte aber die Fehlwürfe im Landkreis auf 25 bis 30 Prozent. Im Klartext: Jeder dritte bis vierte Gegenstand gehört eigentlich nicht in das Sammelgefäß. "Am Anfang war das deutlich weniger", sagte Weigert, woraufhin Peterke einwarf, zufriedenstellend sei dieser Zustand nicht.

Die Einschätzung Weigerts deckt sich in etwa mit der des Abfallberaters Stefan Kneilling bei den Landkreisbetrieben. Bundesweit rechnet Kneilling sogar mit 50 Prozent Fehlwürfen. "Bei uns ist das aber weit darunter", erklärt er. "Das liegt an einer ganz anderen Trennmoral als in den Städten. Die Bevölkerung dort wurde nie erreicht." Nicht erreicht von einem System hinter dem Richard Keßler (CSU) als Landrat und vor allem Franz Josef Simon als Chef der Landkreisbetriebe standen: der akribischen Trennung von Wertstoffen und deren geordnetes Sammeln auf den Wertstoffhöfen.

Mit der Gelben Tonne hielt auch der Schlendrian Einzug. "Ich hatte mal einen Fall, da war die halbe 240-Liter-Tonne voll mit Grünabfall", berichtet Kneilling. Der Befüller redete sich damit heraus, er habe nicht gewusst, was in das Gefäß gehört. Ein Einzelfall?

Wie hoch die Fehlwurfquote im Landkreis tatsächlich ist, wurde bislang nicht eruiert. Sie bleibt also spekulativ. Für Peterke ist dennoch klar: "Das Entsorgungsbewusstsein ist verloren gegangen." Das ist für ihn gravierender als die monetäre Seite. Jetzt zahlt jeder Bürger über die Lizenzgebühr schon beim Einkauf fleißig mit. Im alten System erwirtschaftete der Landkreis vom Dualen System noch jährlich etwa eine Million Euro und beschäftigte auf den Wertstoffhöfen Personal. Zwar waren das keine topbezahlten Arbeitsplätze, dennoch sehr begehrt, wie Franz Josef Simon immer wieder versicherte. Und das Geld blieb über diese Schiene in der Region. 150 Menschen waren auf den 34 Wertstoffhöfen beschäftigt. Simon hatte Wartelisten. "Rentner, Studenten, Hausfrauen haben sich da etwas dazuverdient", erinnert er sich. Die Zahl der Wertstoffhöfe wurde auf 21 abgeschmolzen, die der Mitarbeiter auf etwa 100.

Bundesweit etwa 50 Prozent Fehlwürfe sind für Peterke alarmierend. "Jedes zweite Teil ist damit falsch eingeworfen. Das zeigt die Sorglosigkeit und Oberflächlichkeit auf. Nur, was kann man dagegen tun" Der Schrobenhausener Kreisrat räumt ein, das frühere System habe dem Bürger viel abverlangt, ob aber der bequemere Weg über die Gelbe Tonne der richtige ist, steht für ihn schon infrage.

Durch die Gelbe Tonne ist zwar die Erfassung quantitativ nach oben gegangen, aber viele Zeitgenossen nutzen die Behälter zu einer kostenlosen Restmüllbeseitigung. "Eine Sortieranalyse Ende 2013 hat gezeigt, dass weniger an Wertstoffen rausgekommen ist", erinnert sich Simon. Und in der Zeit danach sei es ganz sicher mit den Fehlwürfen nicht besser geworden, "eher schlechter". Simon führt das auf die menschliche Trägheit zurück. "Ohne Sanktionen tut sich da gar nichts."

Weshalb also wurde das System geändert? Es war die Bürgerinitiative Müllini, die entsprechend Druck aufgebaut hatte, um von der häuslichen Wertstofftrennung in eine Vielzahl von Fraktionen wegzukommen. Dem System hing der Geruch des Steinzeitlichen an, obwohl anderen Gebietskörperschaften wie das benachbarte Aichach-Friedberg an der gleichen Form des "Sortierwahnsinns", wie die Gegner gerne polterten, festhielten.

Wer ein paar Jahre zurückblättert, stößt auf den 15. März 2012. Damals trat der Kreistag im Haus im Moos zusammen, um über die Leichtverpackungen zu beraten. Die CSU zeigte sich gespalten in Gegner und Befürworter einer neuen Entsorgungsschiene. Ihr damaliger Fraktionschef, der Neuburger Oberbürgermeister Bernhard Gmehling, hielt ein längeres Plädoyer zugunsten des bewährten Systems, dem Müllfachleute aus anderen Teilen der Republik gute Noten gaben. Die SPD plädierte auch für den Erhalt der Wertstoffhöfe und die Fortsetzung des Keßler/Simon-Systems. Die Grünen lehnten die Gelbe Tonne rundweg ab und Lothar Klingenberg, damals noch aktiv bei den Liberalen, reklamierte die Idee mit der Gelben Tonne für sich und die FDP. Weigert und seine Freien Wähler waren an jenem 15. März hingegen fest entschlossen, das alte System über Bord zu werfen. Eine Notwendigkeit dazu bestand nicht unbedingt. In einer Repräsentativumfrage hatten sich zuvor 51 Prozent von 6220 Bürgern für die Beibehaltung der Wertstofferfassung über die Wertstoffhöfe ausgesprochen.