Neumarkt
Ende einer Schicksalsgemeinschaft

Kreisverband der Kriegsheimkehrer löst sich auf 89-jähriger Ludwig Rupp seit 67 Jahren Vorsitzender

20.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Der letzte Kreisverband der Kriegsheimkehrer hat sich aufgelöst. Bei einem gemeinsamen Abschiedsessen hielten die hochbetagten Mitglieder Rückschau und erzählten ihre Geschichten. - Foto: Meyer

Neumarkt (DK) Der Kreisverband Neumarkt der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen (VdH) ist Geschichte. Die letzten 21 Kriegsgefangenen wurden anlässlich der Auflösung zu einem Abschiedsessen eingeladen. Zehn ließen sich aus Gesundheitsgründen entschuldigen.

Der Kreisvorsitzende Ludwig Rupp, der sich schon vor 70 Jahren für die Heimkehrer engagierte und seit der Gründung des Kreisverbandes im Jahr 1950 an dessen Spitze stand, hielt einen Rückblick auf die Historie und Leistungen des VdH. Zuletzt hatte der Kreisverband immer noch 650 Mitglieder.

An eine Weiterführung war aber nicht mehr zu denken, da der 89-jährige Rupp aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr kandidierte und sich kein Nachfolger mehr fand. Das Ende des Zweiten Weltkrieges liegt inzwischen 72 Jahre zurück. "Die Zahl der Kriegsheimkehrer, der Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen ist deutlich gesunken, so dass eine Fortführung auch nicht mehr sinnvoll erschien", sagten Ludwig Rupp und seine Stellvertreterin Hannelore Leipziger.

Zu den großen Leistungen des VdH gehörte es, in den schwierigen Nachkriegsjahren Millionenbeträge für Kriegsheimkehrer und Kriegerwitwen zu erstreiten. In Renten- und Schwerbehindertenangelegenheiten war der Verband behilflich. In Neumarkt entstand an der Keplerstraße die sogenannte Heimkehrer-Siedlung mit 20 Häusern. Bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche half der Sozialverband seinen Mitgliedern, die auch in eigenen Erholungsheimen nach den Kriegsstrapazen neue Kraft tanken durften.

Der Verband setzte sich ferner für die Rückkehr der letzten 10 000 Kriegsgefangenen aus russischer Gefangenschaft ein. Darunter befand sich auch der Bruder des früheren Neumarkter Oberbürgermeisters Theo Betz. In der Mistelbacher-Allee stellte der Verband für die in Kriegsgefangenschaft gestorbenen Soldaten das Heimkehrer-Kreuz auf. Ludwig Rupp wurde nicht müde, die Mitglieder bei runden Geburtstagen aufzusuchen. Er stellte seine Arbeit nach dem Ausscheiden aus dem bayerischen Landtag, dem er von 1958 bis 1974 als CSU-Stimmkreisabgeordneter für Parsberg/Beilngries/Riedenburg angehörte, ganz in den Dienst des VdH und war von Anfang an das Gesicht des VdH im Landkreis. "50 Pfennig betrug am Anfang der Beitrag im Monat", wusste Rupp, der kurze Zeit in amerikanischer Gefangenschaft war. "Die Kriegsheimkehrer haben wir bei Begrüßungsabenden im Bahnhofhotel willkommen geheißen", berichtete Rupp aus den Anfangsjahren.

Die letzten bayerischen Kreisverbände der Heimkehrer sind in den vergangenen Jahren aufgelöst worden. Neumarkt blieb noch als Letzter übrig. Dem VdH als Sozialverband ging es weniger um die Werbung von Neumitgliedern, da diese ja den Zweiten Weltkrieg nur aus Erzählungen oder Filmen kennen. Der VdH bildete eigentlich eine Erfahrungs- und Schicksalsgemeinschaft, wie auch aus dem Mund der Anwesenden hervorging. Franz Röhling aus Neumarkt zum Beispiel, heute 94 Jahre alt, war in St. Nazaire in Frankreich stationiert. Er wurde 1948 aus der Gefangenschaft entlassen. Auch Johann Walter war in Frankreich als Soldat eingesetzt. "Am Heiligen Abend 1948 bin ich entlassen worden", berichtete der 92-Jährige. Drei Jahre lang Sibirien hat der gebürtige Seligenportener Nikolaus Meixner überlebt. "Wir mussten jeden Tag zehn Stunden im Bergwerk Kohle schaufeln", blickte der 92-Jährige zurück. Sepp Kratzer aus Postbauer-Heng wurde fünf Jahre in der heutigen Ukraine gefangen gehalten. "Wir wurden aber gut behandelt und bekamen dasselbe Essen wie die Russen", sagte der 91-Jährige über diese Zeit. Johann Ent kam aus Niederhofen zum Abschiedstreffen. "Zwei Jahre war ich in Belgien in Steinbaracken in Gefangenschaft", erzählte der rüstige 91-Jährige.

Landrat Willibald Gailler (CSU) betonte, dass der VdH das Lebenswerk von Ludwig Rupp gewesen sei. Er habe mit viel Engagement das soziale Gesicht im Landkreis geprägt. "Was Ludwig Rupp geleistet hat, ist weltweit einmalig, weil es niemanden gibt, der so lange ununterbrochen einen Kreisverband geführt hat", würdigte Stadtrat Franz Düring (UPW/FW) den Kreisvorsitzenden. Das Restvermögen des Vereins soll in ein soziales Projekt fließen, an dem dann eine Tafel auf den Verband der Heimkehrer hinweisen wird.