Ende der US-Präsenz?

Ein Kommentar von Wolfgang Weber

09.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:18 Uhr

Der US-amerikanische Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, benimmt sich nicht zum ersten Mal so, als wäre er nicht Diplomat in einem befreundeten Land, sondern Repräsentant einer Besatzungsmacht.

Jetzt droht er damit, dass sein Land die hier stationierten Streitkräfte abzieht und in das willfährigere Polen verlegt. Als Strafe dafür, dass die deutsche Regierung ihre rechtlich unverbindliche Absichtserklärung nicht umsetzt, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben. Zudem ist die US-Regierung offensichtlich darüber verärgert, dass Deutschland keine Bodentruppen nach Syrien schickt - wie von Washington gewünscht - und sich auch nicht an US-Missionen im Persischen Golf beteiligt, weil die zu leicht zu einem Krieg gegen den Iran führen könnten.

Allerdings ist die Drohung mit Truppenabzug reichlich hohl. Denn anders als von Grenell und US-Präsident Donald Trump behauptet, sind die meisten amerikanischen Soldaten in Deutschland keineswegs als Schutztruppen stationiert - als großzügig geleistete Sicherheitsdienstleistung Washingtons gewissermaßen -, sondern deshalb, weil Deutschland eine strategische Drehscheibe mit bester Infrastruktur für amerikanische Militäreinsätze ist. Das Africa Command in Stuttgart beispielsweise ist ausschließlich für den schwarzen Kontinent zuständig. Über das rheinland-pfälzische Ramstein wird die Logistik für die Auslandseinsätze in Afghanistan oder im Irak gesteuert - und auch der geheime Krieg mit Killer-Drohnen.

Das alles nach Polen zu transferieren würde Jahre dauern - jedenfalls länger als die zweite Amtszeit von Trump - und Unsummen kosten. Übrigens ist es nicht so, dass die US-Präsenz hierzulande gebührenfrei ist. Insider summieren die jährlich für Deutschland anfallenden Kosten auf mindestens 600 Millionen Euro. Ein Nebenaspekt wäre, sollte es zur Verlegung kommen, wie der Teil der polnischen Bevölkerung, der strikt ausländerfeindlich eingestellt ist, mit farbigen GIs in der Nachbarschaft umgeht.

Weit wichtiger ist allerdings die Frage, was mit der Bedrohung durch Russland ist. Mit der wurde schließlich seit Kriegsende die Anwesenheit von US-Truppen in Deutschland begründet - und auch die von Atomsprengköpfen. Und jetzt plötzlich kann man diese Truppen ohne Schaden für die freie Welt ersatzlos abziehen?