Ingolstadt
Emotionales Feuerwerk

Jugendclub II des Stadttheaters Ingolstadt überzeugt mit Drama "Cengiz & Locke"

10.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:21 Uhr
4 von 15 in Aktion: Janine Wildgrube, Otto Weiß, Eric Welzenbach, Fabian Leicht (von links) und weitere Jugendliche haben "Cengiz & Locke" in Szene gesetzt. −Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) "Ich will nicht wissen was du denkst, ich will nicht wissen was du fühlst" - diese Einstellung sichert einem auf der Straße das nackte Überleben.

Wie weit diese emotionale Abstumpfung bereits bei Jugendlichen fortgeschritten sein könnte, zeigt das Jugenddrama "Cengiz & Locke" von Zoran Drvenkar. Der Jugendclub II des Stadttheaters hat den Roman über einen sozialen Brennpunkt aus Berlin für zwei Aufführungen auf die Ingolstädter Bühne gebracht.

Unter der Leitung von Sascha Römisch erarbeiteten Jugendliche ab 15 Jahren die Bühnenfassung. Gar nicht so leicht, wenn das Original in Du-Form geschrieben ist. Doch die Jungschauspieler setzen die Selbstanrede ihrer Figuren gekonnt um: Von den grellen Strahlern angeleuchtet, richten sie den Blick nach oben in die Ferne gerichtet und beginnen dann zu philosophieren, sich zu erklären oder ihre Taten zu reflektieren, während drum herum alles stehen zu bleiben scheint.

So erfährt das Publikum schnell, dass Cengiz und Locke einer Bande von Deutschen angehören, die im Clinch mit "den Jugos" liegt. Jugendlicher Leichtsinn und der Wille, sich vor der ganzen Welt beweisen zu wollen, führen dazu, dass aus unbegründeten Vorurteilen, überspitzten Beleidigungen und Imponiergehabe bitterböser Ernst wird. Schlussendlich muss jeder Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Rückhalt aus dem Elternhaus ist dabei nicht zu erwarten. Hängt der Haussegen einmal schief oder sind die familiären Probleme nur noch erdrückend, flüchten sich die jungen Menschen eben zu der zweiten Familie im Kiez.

Für die Achterbahn der Gefühle haben sich die Darsteller wohl jetzt schon einen präzisen Schalter im Kopf angeeignet, den sie ohne Umstände kippen können. Wie sonst fährt der ein oder andere so leicht von Null auf 180 oder kann innerhalb von Sekunden mit Tränen in den Augen in den Zuschauerraum blicken? Es wirkt, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Auf der Suche nach der eigenen Identität wird es öfter ziemlich laut: Tische und Stühle fliegen über den Boden, der Drogenrausch benebelt die Sinne, es wird geflucht, vermeintliche Liebe wird zu Gewalt. Die einzige, die die rivalisierenden Banden noch in ihre Schranken weisen kann, scheint die großmütterliche Kassiererin vom Supermarkt um die Ecke zu sein.

Wenn es hart auf hart kommt, ist sich dann aber doch jeder selbst der Nächste - oder nicht? Am Ende zeigt sich, egal wie misslich die Situation zu sein vermag, auf den besten Freund kann man sich immer verlassen. Für dieses versöhnliche Ende nach zahlreichen Nervenkitzel-Momenten fliegen den jungen Talenten nicht nur die Herzen des Publikums, sondern auch einige Rosen zu.

Katharina Wirtz