Eichstätt
"Elslein von Caub"

Der Gesangsverein "Liedertafel" war eine Eichstätter Institution

26.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:49 Uhr

Der 1861 gestiftete Ehrenkrug der Liedertafel Eichstätt. - Foto: je

Eichstätt (EK) Nicht nur etwas für Dampfplauderer, Stammtischbrüder oder Bierdimpfl waren die im 19. Jahrhundert gegründeten und aktiven Eichstätter Vereine.

„Liedertafel“, „Johannesverein“ und „Eschenbacher“ etwa waren auf kulturellem und sozialem Gebiet führend in der Stadt und ihrer Umgebung. Sie sorgten sich insbesondere um arme Kinder und trugen durch kurzweilige Produktionen zur Unterhaltung bei.

Über den Termin des Beginns der Liedertafel gibt es widersprechende Informationen. In einem Schriftstück im Stadtarchiv wird der 12. August 1849 als Gründungstag genannt. Über den Zweck des Vereins steht in der Meldung an den Magistrat: „Bildung, Gesang und gesellige Unterhaltung“. Verlangt wurden von den Beitrittswilligen: „Unbescholtenheit des Charakters und der erforderliche Bildungsgrad sowie musikalische Befähigung“. Erste Vorsitzende waren der Kaufmann Bader und der Bürger Winkler. In anderen Quellen wird als Gründungsjahr November 1861 angegeben; das 50-jährige Bestehen wurde deshalb auch im Juni 1911 begangen.

Der Vereinsausschuss 1861: Rechtskonzipient (also Schreiber) Kreibig, Registrator am Appellationsgericht Holz und Schreinermeister Konle. Nach einigen Jahren war der königliche Bezirksgerichtssekretär Stoeger Vorsitzender und der Stadttürmer Franz Kugler Dirigent. Unter seiner Stabführung wurde am 28. April 1864 zu einer „Musikalischen Produktion“ in den Bayerischen Hof (heute Dompfarramt am Pater-Philipp-Jeningen-Platz) eingeladen. Aus dem Programm: „Dem Vaterlande“, „Die Wasser- und Weintrinker“, „Vögelein im Walde“ und „Die Träne“.

Ab Januar 1865 leitete der königliche Stiftungs-Administrator Franz Xaver Obel den Verein. Die Sänger wurden von Musiklehrer Johann Baptist Meier dirigiert. Das Ziel war nun „Förderung des deutschen Männergesangs unter Annäherung seiner Mitglieder dem geselligen Umgang und Vergnügen“.

Im Jahr 1888 stand der Seminarlehrer Georg Brandmüller an der Vereinsspitze. Die weiteren Vorstandsmitglieder: Dirigent Musiklehrer Karl Kugler, Sekretär Gerichtsvollzieher Karl Ritter, Kassier Bezirksamtsfunktionär Conrad Albert. Die Männer der Liedertafel – einige Male heißt es in den Archivalien „Liederkranz“ – schmetterten ihre Gesänge im Münchner Hof (genannt auch Goldene Krone in der Westenstraße), in der Schießstätte (Papst-Viktor-Straße) und im Gasthaus Zum Löwen (auch Weißer Ochse) in der Pedettistraße.

Am 15. Juli 1862 stellte der Vorstand an den Magistrat das Gesuch, die Polizeistunde von Mitternacht auf 2 Uhr in der Früh zu verlängern. Das wurde erlaubt. 1863 hatte der Verein immerhin 43 Sänger in seinen Reihen. Ein etwas höherer Eintrittspreis wurde für ein Konzert im April 1866 verlangt, nämlich 24 bis 30 Kreuzer. Der Erlös war für die Bayerische Lehrer-Waisen-Stiftung bestimmt. Im Heimerbräukeller (Stadtkeller am Burgberg) sang die Liedertafel am 2. Juli 1866 zugunsten verwundeter oder kranker vaterländischer Soldaten, die den österreichisch-preußischen Krieg mitgemacht hatten.

ANNO DAZUMAL

Eine „Gesangsproduktion für das gesamte Publikum“ wurde am 20. Dezember 1865 ausgeschrieben. Die Liedertafel war an dem Tag im Bayerischen Hof zu hören. Der Eintritt kostete 18 Kreuzer, für vordere Plätze mussten 24 Kreuzer hingelegt werden. Zum Vergleich: Für 24 Kreuzer gab es damals sechs Maß braunes Sommerbier vom Fass.

Die Heimatzeitung berichtete im August 1895 von einem Besuch Seiner Königlichen Hoheit Prinz Alfons in Eichstätt, wobei die Liedertafel ganz groß herauskam. Der hohe Gast schwamm zunächst in der Altmühl bei der Militärschwimmschule am heutigen Eichstätter Freibad ein paar Runden. Danach war er zum Essen in das Bischöfliche Palais von Bischof Franz Leopold Freiherr von Leonrod (1867 bis 1905) eingeladen. Dorthin zog der Chor der Liedertafel, begleitet von rund 50 Buben mit Lampions und der Stadtmusik. Bei der anschließenden Serenade wurden unter anderem geboten: „Die vier Zecher“, „Elslein von Caub“ und „Kriegers Gebet“.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 engagierte sich die Liedertafel im sozialen Bereich. So wurde im Dezember 1914 ein Wohltätigkeitskonzert in der Aula am heutigen Kardinal-Preysing-Platz veranstaltet, dessen Erlös dem Eichstätter Roten Kreuz zufloss. Der Sängerchor der Königlichen Lehrerbildungsanstalt und die Kammermusikvereinigung verstärkten die Liedertafel. Angekündigt wurden „einige sehr eindrucksvolle patriotische Lieder“. Als Zugnummer galt der Auftritt des „in allen Konzertsälen Deutschlands rühmlichst bekannten Kammersängers Friedrich Brodersen aus München“.

In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war der Rechtsanwalt Michael Morhard Leiter der Liedertafel. Zu den bekannten Leitern des Chors gehörte Hans Lang (1897 bis 1968). Er war Absolvent der Lehrerbildungsanstalt Eichstätt, studierte an der Akademie für Tonkunst in München, unterrichtete danach in Eichstätt bis zu seiner Berufung an die Musikhochschule Köln.

Im Adressbuch der Stadt Eichstätt 1938 ist die Liedertafel nicht mehr eingetragen. Die Idee von 1849 aber setzte nach nationalsozialistischer Diktatur und Zweitem Weltkrieg die Chor- und Orchestervereinigung „Sängerkreis“ fort; im Jahr 1960 war der Bäckermeister Walther Glück dessen Vorsitzender. In die Fußstapfen von Liederkranz und Sängerkreis trat dann sehr erfolgreich der BBC, der Böse Buben Club, geehrt in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen.