Ingolstadt
Elektronisches Superhirn als Mitarbeiter

15.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:38 Uhr
Künstliche Intelligenz für vorausschauende Wartung: daran arbeiten Adam Probst und Benedikt Koller vom Start-up Maiot in München. −Foto: Sebastian Oppenheimer

Ingolstadt (DK) Das Thema Künstliche Intelligenz ist aktuell in aller Munde – die damit verbundenen Erwartungen sind groß. Doch: Was kann man mit der neuen Technik nun konkret machen? Wir haben in München zwei Start-ups besucht, deren Geschäftsmodell auf KI beruht.

Hätte ich das nur vorher gewusst – so ein Satz dürfte den meisten schon einmal durch den Kopf gegangen sein. Aber auch wenn man es sich noch so sehr wünschen mag: Ein seriöser Blick in die Zukunft ist trotz aller technischer Errungenschaften bis heute nicht möglich. Doch es gibt Spezialisten, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) daran arbeiten – zum Beispiel das Münchner Start-up Maiot: Das siebenköpfige Team tüftelt in einem Büro im Stadtteil Bogenhausen an Algorithmen, die eine vorausschauende Wartung von Nutzfahrzeugen ermöglichen. Die Maiot-Software soll Alarm schlagen, bevor ein Bauteil kaputt geht – so kann man es rechtzeitig tauschen und dadurch einen größeren Schaden vermeiden. Umgekehrt werden Teile auch nicht grundlos getauscht. Interessant ist das Produkt des jungen Unternehmens beispielsweise für Speditionen oder andere Firmen mit großen Fuhrparks.

„Was wir machen, ist absolute Hochtechnologie“, sagt Maschinenbauingenieur Adam Probst (29), einer der drei Maiot-Gründer. Die Basis für ihr Geschäftsmodell sind gigantische Datenberge. Gesammelt werden diese unter anderem mittels einer Telematikeinheit, die das zentrale Datenkabel des Fahrzeugs ausliest – den CAN-BUS. So können die Gründer sämtliche Signale empfangen – dabei werden bis zu 300 Sensordaten ausgelesen: Drücke, Drehzahlen, Temperaturen, Spannungen und noch vieles mehr. Auch GPS und Wetterdaten lässt das Start-up in den Datenpool mit einfließen. Ergänzt wird der Pool von Telematikdaten verschiedener Subsysteme. Pro Tag kommen so bei jedem Fahrzeug mehrere Gigabyte an Daten zusammen

Das wichtigste Ereignis für die Entwicklung der Software ist – ironischerweise –, wenn etwas kaputt geht. „Das ist die Stecknadel im Heuhaufen, die wir brauchen“, sagt Probst. Dann muss man sich die zuvor aufgezeichneten Daten anschauen und herausfinden, welche Faktoren zu dem Schaden geführt haben. Hat man den Algorithmus entsprechend trainiert, soll er im Idealfall,das nächste Mal rechtzeitig vor dem Defekt warnen.

Probst rechnet die Ersparnis für einen Spediteur anhand eines Turboladers vor. Der Wechsel eines solchen Bauteils koste um die 800 Euro. Zersprenge es den Turbolader unter Volllast auf der Autobahn, führe das in der Regel zu einem Motorschaden – der mit um die 15 000 Euro zu Buche schlage. Ganz abgesehen vom Zeitverlust, wenn der Lkw manövrierunfähig am Straßenrand stehe.

Erste Kunden haben Probst und die anderen beiden Mitgründer Benedikt Koller und Hamza Tahir schon – unter anderem das Bundesverkehrsministerium. „Die Resonanz auf unser Produkt ist sehr gut“, sagt Probst. Geld verdient Maiot mit einer prozentualen Beteiligung an der Ersparnis, die ihre Software den Nutzern einbringt.

Angst vor Künstlicher Intelligenz müsse niemand haben, davon sind die Gründer überzeugt – solange man verantwortungsvoll mit der neuen Technologie umgeht. „Jeder, der Angst davor hat, sollte sich einfach mal genau darüber informieren und aktuelle Aufsätze dazu durchlesen“, sagt Koller. „An einem Wochenende Recherche lässt sich das ganz gut erledigen.“

Aktuell setzt Maiot seine Technik vor allem bei Lkw ein – aber wenn der Algorithmus erstmal für eine bestimmte Fahrzeugkomponente trainiert ist, lässt er sich auch in anderen Fahrzeugtypen- und Flotten verwenden. Als nächstes sollen auch Busse mit der Technik des Münchner Start-ups ausgestattet werden.

Mit aktuell 60 Mitarbeitern ist das Start-up Fineway schon deutlich größer – auch dieses junge Unternehmen sitzt in München: In der Lindwurmstraße nahe der Theresienwiese, auf der jedes Jahr das Oktoberfest stattfindet. Auch bei Fineway kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz – allerdings auf eine völlig andere Art und Weise. Das Unternehmen will die Urlaubsplanung revolutionieren. „Wir lösen ein ganz konkretes Problem“, sagt Geschäftsführer Markus Bohl. „Wie kommt der Kunde von einem diffusen ersten Reisewunsch zu einem belastbaren ersten Angebot?“ Das bislang verfügbare Angebot helfe nur, wenn man schon genau wisse, was man wolle.

Aktuell wendeten Reiselustige zwischen zwei und drei Monate für die Planung auf, seien auf bis zu 90 verschiedenen Websiten unterwegs, so Bohl. „Diesen Prozess versuchen wir zu verkürzen.“ Nach der Beantwortung von zehn Fragen, soll ein brauchbarer Reiseplan stehen. Hotels und Flüge sind dann bereits auf Verfügbarkeit geprüft. Im Prinzip könnte man das Vorgeschlagene nun direkt buchen. Der Vorteil von KI: „Ein Mensch hat immer sofort eine Meinung über eine andere Person“, sagt Bohl. „Künstliche Intelligenz ist neutral und sucht das objektiv beste Ergebnis.“

Dennoch übernehmen das Feintuning am Ende in der Regel Reiseberater – oder wie Fineway-Chef Bohl sie nennt: „Travel-Designer“. Rund die Hälfte der Mitarbeiter sind solche Experten, die idealerweise aus jenem Land stammen, das gebucht werden soll – zumindest sollten sie eine Zeit lang dort gelebt haben. Der menschliche Mitarbeiter am Ende der Planungskette sei vielen Kunden wichtig, erklärt Bohl – auch für das Vertrauen.

Aktuell konzentriert sich Fineway auf Fernreisen. Wer also beispielsweise nach Kanada oder Südafrika will, beantwortet so einer Art Chatbot zehn Fragen. Allerdings sind das nicht immer die gleichen: Die KI wählt aus Hunderten Fragen als nächste immer diejenige aus, die sie braucht, um das Angebot zu vervollständigen. Mit jedem Kunden verbessert sich der Algorithmus.

Je mehr Daten Fineway hat, desto genauer gelingt die Reiseplanung. Schon zum Start weiß das Portal beispielsweise, von wo der Klick kommt: aus einer Metropole oder vom Land, welches Gerät der potentielle Kunde nutzt und wie er zu Fineway gefunden hat – etwa über eine Anzeige. „Daten sind für uns ein wertvolles Gut.“ Um das Vertrauen der Kunden zu bekommen, lege man viel Wert auf Datenschutz, die Daten seien pseudonymisiert. Bei der Buchung muss der Kunde dann natürlich seine Daten angeben – wie im Reisebüro auch.

Das Geschäftsmodell: „Wir kaufen Leistungen zu Großhandelspreisen und verkaufen sie den Kunden zu Marktpreisen“, erklärt Bohl. „Die Differenz ist am Schluss unsere Marge.“ Was Zahlen zum Geschäft angeht, ist Bohl zurückhaltend – wegen der Konkurrenz. Im Monat mache man einen siebenstelligen Umsatz, dieser wachse mit 250 bis 300 Prozent jährlich. Das Reisekerngeschäft selbst schreibe schwarze Zahlen – allerdings investiere man gerade auch sehr viel. Dafür nutze man das Geld von Investoren. Wieviele Kunden das Unternehmen hat? Knapp Zehntausend jährlich sagt Bohl.

„Ich glaube, dass Künstliche Intelligenz in vielen Bereichen einen positiven Beitrag leisten kann“, sagt Bohl. Dennoch ist er davon überzeugt, dass auch eine Regulierung durch die Politik nötig ist. Schließlich gebe es kritischere Anwendungsbereiche für die Technik als die Reisebranche. „Es braucht klare ethische und moralische Leitplanken“, sagt der 42-Jährige. „Und deren Definition sollten wir nicht den großen Konzernen überlassen.“

Das Start-up Fineway will in Zukunft kräftig wachsen. Und obwohl das Geschäftsmodell von Fineway auf KI basiert, soll auch die Belegschaft deutlich aufgestockt werden: In den nächsten zwölf Monaten soll das Team auf die doppelte Größe anwachsen.

 

Sebastian Oppenheimer