Schweinspoint
Elektrisierende Worte eines Professors

Energie-Experte Christian von Hirschhausen spricht zur gefürchteten Gleichstromtrasse

22.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:37 Uhr

Vor rund 500 Zuhörern: Christian von Hirschhausen (links) mit den BI-Aktivisten Gabriele Buck-Baumann und Martin Stegmair. - Fotos: Schanz

Schweinspoint (DK) Das Thema Stromtrassen elektrisiert die Bürger der Region immer stärker, je näher eine Entscheidung des Bundes rückt. Am Freitagabend versorgte der Infrastruktur-Forscher Christian von Hirschhausen rund 500 Menschen mit Hintergrundwissen.

Jeder Halbsatz eines Spitzenpolitikers zu den geplanten Gleichstromtrassen katapultiert ihn in diesen Tagen in die Schlagzeilen. Auf dem Weg zur Infoveranstaltung in Schweinspoint bei Rain am Lech hörten am Freitagabend einige der Besucher im Radio die neueste Meldung: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SDP) habe dem Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) einen neuen Verlaufsplan für die umstrittene Süd-Ost-Stromtrasse unterbreitet. Die Leitungen könnten demnach weitgehend entlang bestehender Wechselstromleitungen verlegt werden. Wo diese fehlen, könnten Erdkabel verlegt werden.

Wie schätzen die Bürgerinitiativen diesen Kompromissvorschlag ein? Wären sie damit zufrieden? „Nein“, antwortete Martin Stegmair von der BI Niederschönenfeld. „Das befriedigt uns nicht, weil wir immer noch sagen, wir brauchen diese Trassen nicht.“ Referent Christian von Hirschhausen, Professor für Energie-Infrastruktur an der Technischen Universität Berlin, wollte sich zu dieser neuen Entwicklung nicht äußern. In seinem einstündigen Vortrag lieferte er aber wissenschaftliche Argumente, warum die neuen Trassen seiner Meinung nach unnötig sind.

„Für uns ist ganz klar, dass die Süd-Ost-Trasse eine Leitung für Braunkohlestrom ist, und dafür haben wir auch Beweise“, erklärte von Hirschhausen und verwies auf eine große Karte an der Wand, auf der alle Kraftwerke in Deutschland zu sehen waren. Auch der Laie konnte erkennen, dass mit der umstrittenen Leitung ostdeutsche Braunkohlereviere abgezapft werden sollen. Für den Wissenschaftler handelt es sich bei der Trasse also um eine versteckte Subvention fossiler Energien. „Das ist Hartz IV für Braunkohle“, fasste von Hirschhausen zusammen. Christian von Hirschhausen verbannte zahlreiche Meinungen in die Welt der Mythen: Befürchtete Engpässe in der Versorgungssicherheit? Schlichtweg falsch. Der Netzausbau als Nadelöhr der Energiewende? Eine Erfindung der Kohle-Lobbyisten. Die Gefahr mehrerer Preiszonen in Deutschland samt Abwanderung der Wirtschaft aus Bayern? Ein Irrglaube. „Wir haben in Deutschland kein Netzproblem“, stellte der Forscher nachdrücklich klar. Europaweit gebe es große Überschüsse. Weder drohe ein Blackout, noch eine Preiserhöhung. „Wir können froh sein, dass wir eines der sichersten Netze in ganz Europa haben.“

Doch woher kommen dann die Unkenrufe vom Netzproblem? „Entweder die Leute kennen sich nicht aus, oder sie verfolgen eigene Interessen“, sagte von Hirschhausen. Netzausbau sei ein einträgliches Geschäft. Und die „desaströsen Zustände in der ostdeutschen Braunkohlepolitik“ riefen viele Lobbyisten auf den Plan. Die geplante Stromtrasse fördere den Braunkohlestrom und mache Kraftwerke im Süden – etwa Gaskraftwerke – unrentabel, stehe also im Widerspruch zur Energiewende. Speichertechnik, Wind, Sonne und Erdgas seien die Energien der Zukunft. „Zum ersten Mal in der Geschichte spielt der Klimaschutz explizit eine Rolle beim Infrastrukturausbau“, sagte von Hirschhausen. Das empfinde er als großartig.