Elbgermanen lagern an der Schutter

25.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:10 Uhr

Mit Walnuss gefärbte Beinwickel halten warm und Insekten fern.

Wellheim (DK) Schwere Schneewolken hängen tief über Wellheim. Im rutschigen, zertrampelten Schnee kämpfen zwei junge Männer, gewandet mit grobem Leinen, Beinwickeln und von Bronzefibeln geschmückten Umhängen, gegeneinander. Speere klacken, Atem bildet Dampfwölkchen, lederne Schuhe schlittern durch den Schnee, mit Raben verzierte Rundschilde werden gewandt zur Abwehr erhoben. Im Hintergrund thront als Kampfkulisse die Ruine der Wellheimer Burg.

Nur – die Zeit, in der die beiden Männer kämpfen, liegt weit vor der Erbauung der Burg. Sie stellen Elbgermanen dar und trainieren, so geben sie lapidar Auskunft, gerade für die Varus-Schlacht. Jene Schlacht also, bei der die römischen Legionen durch die vereinten Germanenkräfte eine empfindliche Niederlage erlitten. Im Juni wird sie zum 2000. Jahrestag im Osnabrücker Land mit Römer- und Germanengruppen aufwendig inszeniert.

Dabei ist die Gruppe der Elbgermanen namens "Coraces Danuvii" – Donauraben –, die am Wochenende ihr Winterlager hinter der Wellheimer Schule aufgeschlagen hatte, eigentlich ganz friedlich. Als historische Handwerkertruppe zeigt sie ihr Können bei Festen und Museumsaktionen. Schmieden und Bronzeguss, Waffenbau und Brettchenweben: All das gehört zu den Fähigkeiten der rund 15 Mitglieder aus Neustadt an der Donau, Ingolstadt, Neuburg, München, Schrobenhausen oder Naumburg an der Saale. Und sie sind sehr gastfreundlich: Besucher sind willkommen in den zwei Rundzelten, in denen die Gruppe ihr Winterlager verbringt, um ihre selbst gemachten Zelte, Kleidung und Schuhe auf Wintertauglichkeit zu testen.

Elbgermanen hat es in Wellheim zwar nicht gegeben. Dennoch sind sie hier keine Unbekannten: Beim Urdonautalfest im vorigen Jahr waren die Donauraben für Quellopfer und Modenschau zuständig. Für ihr Winterlager hat ihnen Bürgermeister Robert Husterer Platz, Holz und Helfer für den Zeltaufbau zur Verfügung gestellt.

In diesen ist es gemütlich. An den hellen Zeltwänden hängen Wildschwein- und Schaffelle, die auch die selbst gebauten und bequemen Germanenbetten über und über bedecken. Auch ohne Fell ist es hier trotz der Kälte draußen wohlig warm. In der Mitte des Zeltes brennt ein Feuer, dessen Rauch durch eine Öffnung in der Zeltkuppel abzieht. Dennoch riecht man schon nach kurzer Zeit dezent wie ein Räucherschinken, vermischt mit dem verlockenden Geruch der römischen Knoblauchpaste, die es zum Frühstück gab. Das hält die Elbgermanen aber nicht ab, sich um das wärmende Feuer zu versammeln.

Im wirklichen Leben heißen sie Lukas oder Konstantin, hier aber nennen sie sich Brandwig oder Landogar. Maria, die Glasperlenzieherin der Donauraben, heißt einfach und immer nur Maria. Die 19-jährige Neuburgerin, jüngstes Mitglied der Gruppe, ist eine historisch souveräne Gastgeberin. Unter ihrer Kopfbedeckung aus hellem Leinen spitzen rote Haare hervor – ein starker Kontrast zu ihrer grünlichen Tunika und ihrem leuchtend blauen Übergewand. Überhaupt sind die Gewänder der Elbgermanen farbenfroh: gefärbt mit Walnuss, Zwiebel oder Krappwurzel – wobei der moderne Germane Indigo auch schon mal im Internet bestellt.

Indigo aus dem Internet

Gegen die Winterkälte schützt Maria ihre Waden mit selbst gestrickten grauen Strümpfen – gefertigt in der Technik des Nadelbindens, der Vorform des Strickens. "Wir versuchen, so viel wie möglich unserer Ausstattung selber zu machen", erzählt sie. "Trotz aller Authentizität wollen wir aber nicht in der Geschichte versinken, schließlich sind wir", und das betont Maria mit Nachdruck, "keine Realitätsflüchtlinge."

Deshalb fällt es der Gruppe nicht schwer, nach einem Wochenende wie diesem in die Normalität zurückzukehren, wo Berufe wie Elektroniker oder Logopädin auf sie warten. Ganz lässt sich der Einfluss der Geschichte aber nicht immer vermeiden. Gruppenschmied Lukas will seinen Beruf als Biotechniker an den Nagel hängen: für eine Schmiedelehre.

Wenn es aber nicht das Versinken in der Geschichte ist, was fasziniert die Gruppe dann am Leben der Germanen? "Dass wir Kindern und Erwachsenen Geschichte vermitteln können", erklärt Kurt Scheuerer den Bildungscharakter der Raben. Scheuerer ist Regionalbeauftragter der Gesellschaft für Archäologie in Bayern. In der Gruppe ist er mit seinen 68 Jahren so etwas wie der Stammesälteste.

Irgendwann neigt sich auch ein Germanentag dem Ende zu, und abends findet man sich in seinen besten Gewändern am Feuer ein, isst und trinkt und erzählt sich Geschichten, bevor man unter Bergen von Fellen in den Schlaf sinkt. Schließlich stehen am nächsten Tag wieder Tänze und Kämpfe auf dem Programm.

Keine Kratzer

Bei der "echten" Varus-Schlacht im Juni wird allerdings nur mit Holzwaffen gekämpft werden. Einerseits sei das wegen der Sicherheit, berichtet Lukas. Aber nicht nur: "Die Römer sind da ein bisschen empfindlich und wollen keine Kratzer in ihrer teuren Ausrüstung", sagt er nicht ohne einen spöttischen Unterton und wärmt sich die germanisch bestrumpften Zehen am behaglichen Feuer.