Eisiger Wind aus Norden

29.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:58 Uhr
Umstrittene Trasse: Hier am Nordrand Oberhaunstadts würde eine Umfahrung »in Tieflage« vorbeiführen, wenn diese Variante aus dem Verkehrsentwicklungsplan vom Stadtrat beschlossen wird. Der örtliche Bezirksausschuss hat sich in einem Brief an den Oberbürgermeister schon gegen mögliche Pläne ausgesprochen. Nun auch die Bürger selbst. −Foto: Hauser

Oberhaunstadt (DK) Verkehr bewegt die Menschen – vor allem emotional. Das bekamen die drei Bürgermeister und die städtischen Spitzenbeamten bei der Bürgerversammlung in Oberhaunstadt zu spüren.

Die Bürger aus dem Stadtteil lehnen die ersten Vorschläge für den Verkehrsentwicklungsplan vehement ab. Zuletzt hat in der Stadt nur das Thema Asyl mehr Menschen mobilisiert. Doch nach guter alter Ingolstädter Tradition ist das Hauptanliegen Nummer eins der Bürger der Verkehr. Im Norden auf alle Fälle. Mit aller Macht bekamen das Oberbürgermeister Christian Lösel sowie seine beiden Bürgermeisterkollegen Albert Wittmann und Sepp Mißlbeck im überfüllten Sportheimsaal von Oberhaunstadt in Erinnerung gerufen. Mehr als 250 Haun?städter zwängten sich hinein, einige standen die ganzen drei Stunden. So lange dauerte die denkwürdige und rekordverdächtige Versammlung.

Dabei war die Stadtspitze „nur“ gekommen, um die ersten Ideen, die es für den auf viele Jahre (bis 2030) angelegten Verkehrsentwicklungsplan (VEP) im Stadtnorden gibt, mit den Anwohnern beziehungsweise Betroffenen zu diskutieren. Das musste Lösel vielfach wiederholen, um die Emotionen der Haunstädter einzufangen. Beim Verkehrsentwicklungsplan handele es sich „um das ehrliche Bemühen des Stadtrats, die Verkehrssituation zu verbessern“. Nach geschlagenen zwei Stunden zog Lösel aber das offensichtliche Resümee: „Die Botschaft ist angekommen. Sie sind der Meinung, das geht so nicht. Sie wollen keine der beiden Varianten.“

Dabei handelt es sich um eine „Unterfahrung“, also einen Tunnel unter dem Stadtteil hindurch beziehungsweise eine Trasse (in Tieflage) am nördlichen Ortsrand vorbei. Beides soll einen möglichen neuen Autobahnanschluss bei der Gunvor-Raffinerie auf möglichst direktem Weg mit dem Audi-Werk verbinden. Das ist der Vorschlag des Verkehrsspezialbüros Inovaplan – im Auftrag der Stadt – nach den ersten Beteiligungsrunden, bei denen, wie Lösel betonte, viele Firmen, Verbände und auch Bürger (bei zwei Workshops im Stadttheater) gehört wurden. Diese Trasse würden laut Erhebungen der Planer rund 45 000 Autos pro Tag nutzen, was auf der Beilngrieser Straße mitten durch Oberhaunstadt oder auf der Römerstraße (im Bezirk Nordost) zu erheblichen Entlastungen (ein Fünftel weniger Verkehr) führen soll.
 
Doch die Haunstädter sahen vor allem die dicken Striche auf dem Plan, die von der A 9 an ihrem Ortsteil vorbeigezogen wurden. „Wir können hier keine weitere Zunahme der Belastung brauchen“, sagte ein Anwohner des Semmerseewegs unter großem Applaus. Durch die Trassen würde Oberhaunstadt „geradezu kaserniert“, ergänzte Klaus Wittmann, der langjährige Vorsitzende des Bundes Naturschutz, in einem sehr persönlichen Statement. Dabei sei der Ortsteil jetzt schon „eingekrempelt zwischen Audi, ICE-Strecke und A 9“.
Selbst eine in vielen Bürgergesprächen gestählte Stadtplanerin wie Renate Preßlein-Lehle musste zwischendurch mit trockenem Mund zum Wasser greifen, weil sie mit dem Erklären und Beschwichtigen kaum mehr nachkam. „Der Verkehrsentwicklungsplan ist kein Straßenausbauprogramm! Es gibt keine festen Trassen!“, betonte sie. OB Lösel versuchte ebenfalls, die Bürger zu beruhigen: „Nichts ist beschlossen! Diskussionen sind emotional. Das ist mir klar, Verkehr will keiner. Man will Ihnen aber keinen neuen Verkehr vor die Haustür liefern.“ Der Rathauschef versprach, die Stadtspitze werde nach den Erlebnissen des Abends baldmöglichst mit dem Planungsbüro und weiteren Fakten zurückkommen. Er stellte einen Termin im Oktober in Aussicht.
 
Vielleicht gibt es bis dahin tatsächlich einen besseren Vorschlag, den ein Bürger (wieder unter Applaus) äußerte: Die Trasse solle auf halbem Weg zwischen Oberhaunstadt und Lenting über die Felder laufen – und beide Orte damit nur wenig belasten. „Dafür brauche ich die Landkreise“, sagte Lösel. Er trifft die Landräte am 31. Juli im Regionalen Planungsverband. Zentrales Thema: der Verkehrsentwicklungsplan.