Eiserner Vorhang in "Little Berlin"

10.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:30 Uhr
"Little Berlin" nannten die US-Amerikaner das 50-Seelen-Dorf Mödlareuth, das bis 1989 durch eine 3,40 Meter hohe Betonmauer getrennt war. Mitten durch den Ort verlief der Eiserne Vorhang zwischen Ost und West. −Foto: Herler

Hilpoltstein (HK) Unter dem Titel "Wahnsinn – die Mauer ist offen" fuhr passend zum 20. Jahrestag des Mauerfalls ein von mittelfränkischen Volkshochschulen organisierter Bus unter der Leitung von Jutta Mertens nach Mödlareuth und Probstzella.

Dabei erfuhren die Teilnehmer – auch aus dem Landkreis Roth – vieles über das Leben hinter und mit der Mauer und die Zeit des damaligen Umbruchs, der schließlich zur Öffnung des Eisernen Vorhangs führte.
 

1952 hatte der DDR-Ministerrat eine "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der DDR und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands" erlassen. Die Tragik der damit begonnenen Teilung Deutschlands kann kaum deutlicher vor Augen geführt werden als in dem kleinen Ort Mödlareuth. Die Amerikaner nannten es "Little Berlin", dieses 50-Einwohner-Dorf am Ende der Welt, das wie sein großer Bruder in Berlin zum Symbol der deutschen Teilung wurde.

700 Meter Mauer

Nach dem Mauerfall entstand hier das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth. Der Volkskundestudent Heiko Ulsch führte die Gruppe durch das weitläufige Freigelände. "Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bildete der Tannbach zunächst die Demarkationslinie zwischen Mödlareuth-Ost in der sowjetischen und Mödlareuth-West in der amerikanischen Besatzungszone", so Ulsch. "Mit Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gehörte der thüringische Teil des Ortes zum Territorium der DDR, die bayerische Hälfte zur Bundesrepublik." Da ein Schleifen des gesamten Ostteils des Dorfes für zu viel negative Presse gesorgt hätte, habe man 1952 mit dem Bau eines übermannshohen Holzbretterzaunes die Abriegelung der beiden Ortsteile einleiten müssen. Gemäß dem Vorbild in Berlin errichteten DDR-Grenztruppen 1966 auch in Mödlareuth eine 700 Meter lange und 3,40 Meter hohe Betonmauer quer durch den Ort, die bis 1989 das Dorf teilte. In West-Mödlareuth habe danach starker Besucherandrang geherrscht, weshalb die Mauer für die Ost-Mödlareuther auch teilweise als Sichtschutz begrüßt worden sei.

Wie die einstige Grenze aufgebaut war, konnten die Teilnehmer der Informationsfahrt während des Spaziergangs durch die zum Teil nachgebauten Grenzsicherungsanlagen gut nachvollziehen. Ein 500 Meter breiter Schutzstreifen, davor ein Metallzaun und Minen sollten die Republikflucht verhindern.

Todesstreifen

Am 9. Dezember 1989, also erst einen Monat nach dem Fall der Berliner Mauer, wurde auch in Mödlareuth ein Grenzübergang für Fußgänger geschaffen.

Am Nachmittag ging es weiter nach Probstzella, das genau in der Mitte der Bahnstrecke München-Berlin liegt. Einzelne Kursteilnehmer, die mit dem Zug nach Ostdeutschland oder Berlin gefahren waren, konnten sich an diesen Ort gut erinnern. Hier mussten sie oft stundenlang warten und wurden streng kontrolliert, ehe sie endlich weiterreisen durften. Auch an diesem etwa 2000-Seelen-Dorf verlief die Grenze in unmittelbarer Nähe. Leopold Jahn, der eine Ausbildung zum "Grenzgänger am Grünen Band" absolviert hat, führte die Gruppe zu einem zum Museum umgebauten Grenzturm etwa 500 Meter außerhalb des Ortes im Thüringer Wald. "Zum Dorf war der gesamte Wald abgeholzt worden", erläuterte Jahn während des Spazierganges auf den Hopfberg. Damit kein neuer Wald wachsen konnte, "wurde das gesamte Gelände totgespritzt." In Zusammenarbeit mit dem Bund Naturschutz hat sich der Todesstreifen zur Lebenslinie gewandelt.

Die Dokumentation "20 Jahre Grenzöffnung" mit zahlreichen Fotos und Bildern beschloss das VHS-Programm. Es war ein glücklicher Umstand, dass der Leipziger Künstler Michael Fischer-Art, der diese Ausstellung mitorganisiert hat, anwesend war. Fischer-Art erklärte, wie er die SED-Diktatur und den Umbruch damals als junger Erwachsener erlebt hatte. Anfangs seien die Parolen, die er mit anderen nachts an die Wände gepinselt hatte, am nächsten Tag schon wieder verschwunden gewesen. "Doch dann wurden die Abstände immer größer, weil es einfach zu viele Aktivisten gab, die das machten."

Doch auch er ist einmal erwischt worden. Die Beamten der Staatssicherheit seien dabei nicht gerade zimperlich mit ihm umgegangen: Während der Verhaftung wurde ihm sogar der Arm gebrochen. Unter den Schmerzen leide er noch heute, so Fischer-Art. "Gerade wegen solcher Dinge sollten wir nicht aufhören, darüber zu berichten, wie es damals zuging." Mit seinem Buch im Gepäck will der 40-jährige deshalb ein Jahr lang Schulstunden in der ganzen Bundesrepublik halten.