Hilpoltstein
Eisbrecherische Fahrt durch den Kanal

16.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:15 Uhr

Licht am Ende des Tunnels: Nach der Schleuse wartet der festgefrorene Frachter Sandra auf Rettung.

Hilpoltstein (HK) Zentimeter für Zentimeter schiebt sich der Bug des Eisbrecher auf die 50 Zentimeter dicke Eisschicht. Der Motor dröhnt, der ganze Rumpf erzittert. Mit einem lauten Knacken bildet sich endlich ein schmaler Riss im Eis, eine mehrere Meter lange Scholle stellt sich an der Schiffswand nach oben, glitzert wenige Augenblicke im strahlenden Sonnenlicht und fällt klatschend zurück ins Wasser.

"Es wird immer schwerer, wir kommen kaum noch durch", sagt Stefan Steinbauer, der Kapitän des Eisbrechers Seidlstein, der am Montag auf dem Main-Donau-Kanal zwischen den Schleusen Hilpoltstein und Eckersmühlen unterwegs ist. Gerade mal drei bis vier Stundenkilometer schafft das Schiff bei dieser Eisdicke. Und dabei kämpfen sich Steinbauer und seine Mannschaft nur durch die Fahrrinne in der Mitte des Kanals, die jeden Tag von neuem gebrochen wird. "An den Rand fahren wir gar nicht. Da ist das Eis noch dicker." Aber das ist auch gar nicht nötig: Die kleine Rinne in der Mitte reicht aus, um dem Eis die Spannung zu nehmen. "Damit schützen wird sowohl die Brückenbauwerke als auch die Schleusen."

 

Über 640 PS liefern die zwei Motoren unter Deck, treiben das 33 Meter lange Schiff langsam voran. "Wir haben den Trimmtank im Heck mit Wasser gefüllt, damit der Bug des Schiffes nach oben geht, so dass wir leichter auf die Eisfläche auffahren können", erklärt Maschinist Norbert Burke.

Steinbauer gibt Gas, schiebt die beiden schwarzen Hebel mit seiner rechten Hand ganz nach vorne. Das Dröhnen aus dem Maschinenraum wird so laut, dass man kaum noch sein eigenes Wort versteht, doch noch immer wird das Schiff kaum schneller. "Norbert, es geht nicht mehr, wir brauchen die Unwucht", sagt der Kapitän und schaut über die Schulter zu seinem Maschinisten. Der nickt nur knapp, ist mit wenigen Schritten unter Deck verschwunden.

Langsam laufen die tonnenschweren Gewichte an beiden Enden des Schiffes an. Der schwere Eisbrecher pendelt mal nach rechts, mal nach links. "Die Gewichte sind so aufgebaut, dass das Schiff sich von einer Seite auf die andere legt und sich schlingernd durchs Eis arbeitet", sagt Burke.

Jetzt endlich geht es etwas besser. Der Bug schiebt sich immer noch weit auf die Eisfläche, doch wenn sich die Seidlstein dann zur Seite neigt, gibt die Eisschicht sofort nach und das Schiff sinkt schlagartig mit der Nase ein – nur um sich gleich wieder auf die nächste Eisscholle zu plagen.

Steinbauer steuert das Schiff hart backbord, möchte im Kanal wenden. Doch schon nach wenigen Metern gibt er auf. "Wir fahren rückwärts, das hat keinen Sinn." In wenigen Minuten könnte der Eisbrecher auf dem eisfreien Kanal drehen, jetzt dagegen geht nichts mehr. "Wir kämen schon durch", sagt der Kapitän. "Aber das könnte locker eine Dreiviertelstunde dauern." Stück für Stück arbeitet sich das Schiff Richtung Schleuse Eckersmühlen. "Da wird es richtig schwer, nach unseren Messungen haben wir vor den Schleusen Eisdicken bis zu eineinhalb Metern", sagt Holger Hammerschmidt von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Hilpoltstein. Der Grund für die größere Eisdicke ist einfach: Bei den Leerschleusungen, die nötig sind, damit die Tore nicht festfrieren, strömen lose Eisschollen zur Schleuse. "Und da backen sie dann in wenigen Stunden zu einer massiven Schicht zusammen."

Heute geht es vor der Schleuse unerwartet gut vorwärts. "Doch letzte Woche war es übel", sagt Steinbauer. "Mein Kollege fuhr mit voller Kraft gegen das Eis an, blieb aber nach kaum zehn Metern stecken – immer wieder musste er zurückfahren und neu Schwung holen." Der Eisbrecher lässt sich in der Schleuse noch ins Unterwasser mitnehmen, den dort wartet eine kleine Fleißaufgabe: Das Frachtschiff Sandra aus Rotterdam steckt seit der Schließung des Kanals im Eis fest. "Auch hier müssen wir das Eis brechen, damit das Schiff keine Schäden bekommt", sagt Steinbauer.

Doch bis es für den Frachter weiter geht, kann es noch Tage, vielleicht sogar Wochen dauern. "Wir brauchen nicht nur Plusgrade, wir brauchen vor allem Regen", sagt Hammerschmidt. "Doch es sieht nicht so aus, als hätten wir diese Woche noch Glück."