Schrobenhausen
Einsatz für Transparenz

Der neue Schrobenhausener Polizeichef Philipp Kirmse kann bei Sport und Grisham-Büchern gut abschalten

01.12.2020 | Stand 23.09.2023, 15:46 Uhr
Blaue Uniform statt Zivilkleidung: Der Kriminaloberkommissar Philipp Kirmse übernimmt für voraussichtlich ein halbes Jahr die Leitung der Schrobenhausener Polizeiinspektion und wechselte mit der Aufgabe auch die Dienstkleidung. −Foto: Spindler

Schrobenhausen - Ein Kriminalkommissar in Uniform - Philipp Kirmse ist der neue Chef der Schrobenhausener Polizeiinspektion. Der 35-Jährige wird voraussichtlich ein halbes Jahr in Schrobenhausen bleiben, bevor ihn der polizeiinterne Qualifikationsweg an einen neuen Ort und zu einer neuen Herausforderung führt.

"Ich mache ein wenig Sport", antwortet Philipp Kirmse, wenn er nach seiner Freizeitbeschäftigung gefragt wird. Der junge Kriminaloberkommissar hat in der Vergangenheit festgestellt, dass die körperliche Betätigung nach Feierabend gut hilft, um die Ereignisse des Arbeitstages hinter sich zu lassen und den Kopf ein bisschen frei zu bekommen. Dass das nicht immer klappt, weiß der neue Chef der Schrobenhausener Polizeiinspektion auch. "An den ersten tödlichen Unfall erinnert man sich immer", sagt Kirmse. Mehr sagt er dazu nicht. Dafür erinnert er an zwei spannende Fälle. Vor vier Jahren durfte Kirmse an der Aufklärung der beiden Attentate von Würzburg - ein Islamist hatte mit einer Axt fünf Menschen in einem Regionalzug verletzt - und Ansbach - ein 27-jähriger syrischer Asylbewerber zündete vor einem Weinlokal eine Rucksackbombe - als Ermittler mitwirken.

Kirmse, der in Bayreuth geboren wurde und gerne die Thriller und Kriminalgeschichten von John Grisham liest, hatte nach eigenen Worten nach dem Abitur Schwierigkeiten, auf die nächste Schulbank zu wechseln. Oder besser gesagt in einen Hörsaal. Er suchte nach einer anderen Herausforderung, bewarb sich bei der bayerischen Polizei, absolvierte seine Ausbildung und kam nach München. Seit 2009 ist er in Erding daheim. Seine Polizeikarriere hat er im mittleren Dienst begonnen.

Inzwischen hat er dann doch bei der Polizei ein Studium absolviert und sich für den gehobenen Dienst qualifiziert. Bei der Kriminalpolizei hat er seinen Dienst absolviert, war ein halbes Jahr beim Landeskriminalamt in München und auch das Innenministerium hat er als Kriminalist für drei Jahre von innen kennengelernt. Am 1. April wechselte Kirmse in Freising zur Schutzpolizei. Und damit legte er die Zivilkleidung ab und probierte seine blaue Uniform an. Das habe sich erst einmal etwas ungewohnt angefühlt, gibt Kirmse zu. Doch inzwischen hat er sich daran gewöhnt. Die Uniform gehört jetzt zu seinem Berufsalltag. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, solange er zur Schutzpolizei abgeordnet ist.

"Man weiß in der Frühe nicht, was einem tagsüber begegnet", benennt Kirmse noch eine andere Selbstverständlichkeit seines Berufes. Die Ungewissheit, mit welchen Vorfällen ein Beamter konfrontiert wird. Doch genau das macht für den Franken, der übrigens keinen Dialekt spricht - das könnte an seiner aus Schleswig-Holstein stammenden Mutter liegen -, auch den Reiz am Polizistenberuf aus. In Schrobenhausen ist er bereits mit einem nicht unbedingt alltäglichen Fall konfrontiert worden - mit einem entlaufenen Ochsen (wir berichteten).

"Ich lasse das alles auf mich zukommen", sagt Kirmse nicht ausschließlich über seine tägliche Arbeit, sondern auch über seinen weiteren Weg bei der Polizei. "Ich will sehen, wie weit man kommt", ist die einfache Devise für die berufliche Zukunft des heute 35-Jährigen. Ein genaues Ziel, wohin ihn die Karriereleiter führen soll, hat er nicht vor Augen. In den nächsten Monaten bleibt er in Schrobenhausen. Dann - wenn alles wie geplant läuft - soll er vom kommenden Herbst an wieder zwei Jahre studieren. Und wohin geht es dann? "Das erfährt man erst sehr kurzfristig", sagt Kirmse locker.

In seiner neuen Funktion als Revierleiter in Schrobenhausen setzt Kirmse vor allem auf Transparenz. Auch wenn das Wort in vielen Fällen leider schon sehr abgegriffen klingt, so verleiht Kirmse dem Begriff wieder Glaubwürdigkeit. "Nicht alles, was man macht, wird auf Gegenliebe stoßen", weiß der Polizist Kirmse aus Erfahrung. Darum sei es wichtig, ergriffene Maßnahmen zu erklären. Die Polizei sei für den Bürger da, sagt Kirmse weiter. Und die Polizei sei auf die Bürger angewiesen, wenn es um Hilfe bei der Aufklärung von Straftaten und Unfällen geht. Natürlich werde auch bei der Polizei mal ein Fehler gemacht. Auch dazu müsse die Polizei stehen, Fehler eingestehen, daraus lernen und sie abstellen. Das ist für Kirmse ebenfalls ein Teil der Transparenz, die er einfordert und auch selber lebt.

Wie bei der Polizeiinspektion Schrobenhausen. Dort lerne er von den älteren Kollegen und sage im Team auch selbstbewusst und offen, dass er bestimmte Dinge nicht könne oder wisse. Und trotzdem sei er der Chef. Treffe Entscheidungen. Und erkläre sie. Außer bei dem einen oder anderen Einsatz, bei dem es auf schnelles Handeln ankomme. In Schrobenhausen hat auch genau diese Haltung wohl dazu geführt, dass er schnell von dem "sehr gut funktionierenden Team" aufgenommen worden sei, wie Kirmse selber sagt.

Diese Transparenz führe zu Akzeptanz. Davon ist Kirmse überzeugt. Das gelte auch für die große Herausforderung der Zeit - Corona. Zum einen müssten die Kollegen und Kolleginnen geschützt werden, die Einsatzfähigkeit der Polizei müsse aufrechterhalten werden. Andererseits müssten die getroffenen Regelungen, die sich derzeit sehr schnell änderten, durchgesetzt werden, so Kirmse weiter. Dazu gehöre es, die Maßnahmen zu erklären und um Verständnis zu werben. In Schrobenhausen und Umgebung funktioniere das gut. Natürlich gebe es auch hier Menschen, die den Corona-Maßnahmen kritisch gegenüberstünden. Für die Polizei gelte es eben, "einen guten Mittelweg" zu finden. Dazu gehöre es auch, dass Polizisten für manchen Ärger der Menschen Verständnis zeigten.

In einem Punkt gibt es bei Kirmse aber kein Verständnis. Im Supermarkt beim Einkaufen eine Maske korrekt zu tragen, könne von jedem verlangt werden. Das sei ein Akt der Solidarität eines jeden Einzelnen den Mitmenschen gegenüber. Und wer das nicht verstehe, der müsse definitiv auch mit einer Anzeige rechnen, so Kirmse. Soweit werde es hoffentlich nicht kommen.

SZ

Jürgen Spindler