Ingolstadt
Einladung in die Elbphilharmonie

06.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:15 Uhr
Ein Mann aus dem hohen Norden: Sebastian Knauer, Artist in Residence beim Georgischen Kammerorchester, wird Klavierkonzerte von Schostakowitsch und Mozart spielen. −Foto: Hohenberg

Ingolstadt (DK) Dem Georgischen Kammerorchester steht eine spannende Saison bevor. Klavierwerke stehen im Mittelpunkt 2018. Highlight ist ein Abend mit den Geschwistern Buniatishvili, mit denen das Orchester auch in der Elbphilharmonie gastieren wird.

Das wichtigste Konzert des Georgischen Kammerorchesters (GKO) in der kommenden Saison 2018 findet nicht in Ingolstadt statt – sondern in Hamburg. Denn die Georgier sind eingeladen worden, im März kommenden Jahres ein Konzert in der Elbphilharmonie zu geben. Der Ort ist ehrenvoll, denn das GKO ist so ziemlich das erste Kammerorchester, das dort spielen wird. Wie groß der Sog ist, der von diesem neuen, gelungenen Konzertgebäude ausgeht, zeigt sich bereits daran, dass das Konzert längst ausverkauft ist – so wie eigentlich alle Konzerte, die derzeit dort stattfinden.

Manfred Schuhmann, Vorsitzender des Orchester-Freundeskreises, ist schier verzweifelt, dass er nur 40 Karten für seinen Verein bekommen konnte. Denn das Interesse der Ingolstädter, das heimische Orchester einmal in dem berühmten Konzertsaal zu hören, ist gewaltig. „Es gab dreimal so viele Anmeldungen wie Karten“, stöhnt Schuhmann. „Wir werden nun nicht umhinkommen, die Karten zu verlosen.“

In Hamburg wird das GKO zusammen mit den Schwestern Buniatishvili gastieren. Gerade Khatia Buniatishvili gilt längst als die bedeutendste junge Pianistin unserer Zeit – neben der Chinesin Yuja Wang. Mit dem GKO trat die Georgierin bereits mehrfach in Ingolstadt auf. Im kommenden Jahr wird sie auch wieder der größte Glanzpunkt im Abonnement-Zyklus des Georgischen Kammerorchesters sein. Zusammen mit ihrer Schwester Gvantsa wird sie das einzige Konzert für zwei Klaviere von Mozart vortragen. Und damit eine charakteristische Klangfärbung im Aboprogramm hinterlassen.

Denn Chefdirigent Ruben Gazarian hat dem Programm das Motto „Klangwelten“ gegeben. Gemeint ist damit, dass er jedem der zwölf Abokonzerte eine eigene stilistische Note verleihen möchte. „Jedes Konzert hat einen ganz eigenen Klang“, sagte er gestern in Ingolstadt bei der Vorstellung des Jahresprogramms 2018. Offensichtlich wird das, wenn man die Konzerte näher betrachtet. Da gibt es etwa einen Abend, der von den verinnerlichten, sensiblen Kompositionen von Arvo Pärt und Peteris Vasks, beides baltische Tonsetzer, bestimmt wird und dann übergeht zum vollmundigeren Idiom von Josef Suk und Antonin Dvorák. Gazarian präsentiert einen Abend mit fast ausschließlich Musik von Mendelssohn, unterbrochen nur vom Cellokonzert von Schostakowitsch. Zwei Konzerte stellen französische Komponisten in den Mittelpunkt, da erklingen dann sogar Chansons von Edith Piaf. Und es gibt monothematische Abende, etwa ein Konzert, das ausschließlich Werken von Schostakowitsch gewidmet ist.

Ein weiterer Abend ist ein Porträtkonzert des russischen Komponisten Grigori Frid, der 2012 fast 100-jährig starb. Dieses Konzert wird übrigens der Sender Deutschlandradio mitschneiden. Solisten sind der Pianist Oliver Triendl und die berühmte Bratscherin Isabelle van Keulen.

Wie es überhaupt Gazarian gelungen ist, zahlreiche namhafte Solisten zu engagieren. Artist in Residence ist 2018 der Hamburger Pianist Sebastian Knauer (48), der heuer übrigens zum zweiten Mal mit dem Echo-Klassik ausgezeichnet wurde. Ruben Gazarian spürt man die Begeisterung an, wenn er von ihm spricht. Besonders schwärmt er von seinem „feinen, unprätentiösen, immer uneitlen Mozart“. Knauer sei gleichermaßen hochintelligent und ein sehr spontaner Musiker. „Wir mussten in den Proben kaum miteinander reden.“ Knauer debütierte bereits als 14-Jähriger in der Hamburger Laeiszhalle und hat in den vergangenen Jahren 15 CDs veröffentlicht, mehrfach in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Roger Norrington.

Insgesamt ist Ruben Gazarians Programm im kommenden Jahr an Vielseitigkeit kaum mehr zu überbieten. Jeder Klassikfreund wird irgendetwas entdecken können, was ihn interessiert: Es werden gleichermaßen Freunde der großen Klassiker mit Werken von Mozart, Haydn und Beethoven bedient wie Fans der Moderne und der leichten Muse. Schwerpunkte bilden diesmal Werke von Schostakowitsch und Klaviermusik. Außer Knauer gastieren noch die Pianisten Oliver Triendl und die Buniatishvili-Geschwister. Anspruchsvoll und manchmal auch unbequem ist das Programm allerdings auch. Gazarian fordert das Publikum – allerdings durchaus mit Erfolg: Gerade die vergangenen beiden Konzerte mit ausgesprochen schwierigen Stücken waren besonders gut besucht – was für den Geschmack des Ingolstädter Publikums spricht.

"Ich bin ein Teamplayer"

Pianist Sebastian Knauer ist Artist in Residence beim GKO – In Ingolstadt wird er Schostakowitsch und Mozart spielen.

Herr Knauer, Sie sind im kommenden Jahr Artist in Residence beim GKO. Was beinhaltet dieser Auftrag für Sie?

Sebastian Knauer: Es sind zwei Konzerte geplant, im Januar und im November. Einmal ein Mozart-Klavierkonzert und einmal ein Konzert von Schostakowitsch. Ich freue mich über diese Einladung. Auch, weil ich bisher erst einmal in Ingolstadt aufgetreten bin, 2007 mit der Schauspielerin Martina Gedeck in der Reihe „Solo für Stars“.

Muss für einen Artist in Residence nicht noch eine Qualität hinzukommen, die über das Spielen von Konzerten hinausgeht? Werden Sie beispielsweise auch mit dem Publikum reden?

Knauer: Ja, das tue ich grundsätzlich gerne. Das geschieht meist allerdings ziemlich spontan. Bei einem Orchesterkonzert ist das immer etwas schwieriger, da natürlich die Orchestermusiker auf einen dann warten müssen. Da versuche ich, mich meist sehr kurz zu fassen. Ich finde es ganz gut, wenn das Publikum sieht, dass wir Musiker ganz normale Menschen sind, auch sprechen können und den Kontakt zum Publikum suchen.

Sie schätzen den Kontakt. Einmal haben Sie sogar gesagt, dass Sie sich als Teamplayer verstehen und nicht in erster Linie als Solist. Das ist für einen Klaviervirtuosen eine eher ungewöhnliche Einstellung.

Knauer: Es geht auch darum, dass ich als Solist mit einem Orchester zusammenspiele und nicht dagegen.

Wie bereiten Sie die Zusammenarbeit konkret vor?

Knauer: Zunächst versuche ich, Blickkontakt bei der Probe mit den einzelnen Orchestermusikern herzustellen. Ich versuche so, ein persönliches Verhältnis, soweit das überhaupt möglich ist, mit den Musikern zu entwickeln. Sodass ich mich wohlfühlen kann, denn ich brauche diesen menschlichen Rückhalt. Es geht mir darum, klarzustellen, dass die Musiker nicht nur Beiwerk für meinen Auftritt sind. Für mich ist das Orchester ein vollwertiger Partner. Ich gehe auch auf ein Orchester ein, auf seine Eigenarten oder seinen spezifischen Klang. Ich haue nicht auf den Tisch und sage, ich bin der Solist, so muss es sein.

Wann würden Sie diese Teamarbeit in einem Konzert als erfolgreich bezeichnen?

Knauer: Für mich ist es natürlich immer wichtig, dass das Konzert so gelingt, wie ich es vorher vorbereitet habe, dass die Töne alle kommen usw.

Das klingt so, als wenn Sie das Konzert sehr genau vorher planen würden. Bleibt da noch Raum für Inspirationen?

Knauer: Inspiration ist wichtig. Sonst wäre das Konzert eine reine Reproduktion des Vorbereiteten. Natürlich gibt es Momente einer besonderen Intensivierung. Wenn man mit anderen auf der Bühne steht, sollte es dennoch eine Art Gerüst geben, an das man sich hält. Man sollte nicht plötzlich ein Rubato machen, das man nie vorher geprobt hat. Feine Freiheiten hat man im Moment des Auftritts dennoch. Die kann man dem Spielpartner mit kleinen Gesten vermitteln.

Sie sind bereits mit Ruben Gazarian aufgetreten. Was schätzen Sie an seiner Arbeit?

Knauer: Er ist ein hervorragender Musiker, vor allem aber auch ein sehr netter Mensch. Ich fühle mich sehr wohl dabei, mit ihm auf der Bühne zu stehen.

Das Interview führte Jesko Schulze-Reimpell.