unterm strich
Einfach mal machen

Kreativität ist eine Frage der Haltung

24.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:00 Uhr
Einfach mal was ausprobieren: Die Schwetzinger haben?s getan mit ihrem Bananen-Spargel-Graffity. Vielleicht ein Vorbild für Schrobenhausen? −Foto: Foto: Moosbrugger

Schwetzingen zeigt Köpfchen: Wer das Logo der neuen Schrobenhausener Partnerstadt genau betrachtet, sieht unter dem Slogan auch drei grafisch stilisierte Spargelspitzen.

Der Slogan ist auch Ausdruck für den Unterschied zwischen den beiden Städten. Die Schwetzinger vermitteln alle ihren Besuchern den Eindruck, den Spargel zu feiern, ihn professionell und unaufdringlich zu vermarkten und sie pflegen einen durchaus kreativen Umgang damit. Nicht nur in dem Jahr, in dem die Badener das 350-jährige Bestehen des Spargelanbaus in ihrer Heimat feiern dürfen.

In Schwetzingen an den großen Einfahrtstraßen begrüßt 24 Stunden lang die amtierende Spargelkönigin die Gäste aus aller Welt - als lebensgroßer Fotoaufsteller. Der offizielle Spargelanstich findet im eigenen Ort statt, verbunden mit einem urigen Hoffest bei einem der noch verbliebenen sieben Spargelerzeuger. An dem Fest beteiligen sich viele Gastronomen, Initiativen und Vereine. Natürlich auch die Spargelerzeuger. Einen fünf Kilometer langen Spargellehrpfad hat die Stadt nun auch. Die Initiative dazu ging von der in Sachen Stadtmarketing hoch professionell arbeitenden Stadtverwaltung zusammen mit den Spargelerzeugern aus. Auch die Stadtmarketingvereinigung in Schwetzingen zieht mit den anderen an einem Strang.

Es gibt einen Spargellauf. Die Stadt sucht sich jedes Jahr einen Spargelkoch des Jahres heraus. Es wird ein Spargelsamstag zelebriert, es gibt ein begehbares Kochbuch in der Altstadt mit Spargelrezepten von Landfrauen. Kunstprojekte in der Grundschule rund um den Spargel laufen, die vhs hat etliches an Kursangeboten in petto - von Fotokursen (Makrofotografie, Foodfotografie) bis hin zu Malereikursen. Sogar Papier wird auch Spargelschalen geschöpft. Die Krönung der Kreativität: ein Spargeldiplom, für das jeder auf einem Hof einen Lehrgang im Spargelstechen machen kann. Und dann reden wir noch nicht über zahlreiche Vorträge und Sonderausstellungen über die Gemüsestangen.

Die Gäste aus Schrobenhausen staunten bei ihrem Besuch in Schwetzingen auch über zahlreiche Kunstwerke im öffentlichen Raum. Sei es das Glücksschwein vor dem Schloss, das durchaus für Gesprächsstoff sorgt, bis hin zu einem gesprayten Spargelkopf auf einer nackten Hauswand. Das alles noch mit einer guten Pressearbeit kombiniert führt zu regelmäßige Veröffentlichungen via Nachrichtenagenturen, überregionale Fernsehstationen und in der heimischen Presse über die Grenzen der eigenen Stadt hinaus.

Gut, Schwetzingen feiert gerade 350 Jahre Spargelanbau. Ziehen wir also mal zwei Drittel für das etwas mehr als 100 Jahre alte Spargelland Schrobenhausen ab, dann bliebe noch genug übrig, wovon sich Schrobenhausen bei Schwetzingen eine gehörige Scheibe abschneiden könnte.

Dabei geht es nicht darum, gute Ideen zu kopieren. Natürlich ließe sich das eine oder andere aus Schwetzingen eins zu eins nach Schrobenhausen übertragen. Doch das ist nicht das Ziel. Vielmehr müssen sich alle Akteure in Schrobenhausen an einen Tisch setzen, sich mal kreative Gedanken über das machen, was sie zu vermarkten haben. Künstler, Fotografen und eine vhs und ein - zugegeben nicht gerade hoch professionelles - Stadtmarketing gibt es auch hier. Es ist dringend nötig Grenzen in den Köpfen einzureißen, damit ein Netzwerk entstehen kann, das verrückte Ideen entwickelt. Und zwar ohne ständig Bedenken vor sich herzutragen und alles an vermeintlich fehlenden Finanzen scheitern zu lassen. Eigentlich müsste Schrobenhausen in Schwetzingen dann nur noch die Haltung lernen: Einfach mal machen.

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Jürgen Spindler